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Berlin: Lehrjahre sind Herrenjahre

Auszubildende übernehmen für eine Woche einen Supermarkt

Revolution im Supermarkt, der Boss kann einpacken. Am Montagmorgen hat ein junger Mann ihn ganz einfach abgesetzt. Sven Schurig ist gerade mal 22 Jahre alt und ab sofort der neue Filialleiter bei „Kaiser’s“ in Tempelhof. Mit 60 anderen Auszubildenden übernahm er für eine Woche den Laden. Kassenabrechnung, Warenbestellung und Marktorganisation sind jetzt seine Aufgaben als Marktleiter. An der Kasse sitzen, Regale einräumen, die Räume putzen – die Lehrlingspflichten müssen nebenbei auch noch erledigt werden, die NachwuchsVerkäufer sind für alles selbst verantwortlich. Und der „reguläre“ Marktleiter Rafael Philipzig bleibt freiwillig im Hinterzimmer.

Seit eineinhalb Jahren macht Schurig eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in Marzahn. Er hat gute Noten in der Berufsschule und verkürzt seine Lehrzeit auf zwei Jahre. Einmal in die Rolle der Leiters zu schlüpfen, soll eine Belohnung für seine guten Leistungen sein. Um den Chefposten konkurrierte er mit 17 anderen Bewerbern. Seine erste Tages-Aufgabe ist ein Rundgang durch alle Abteilungen. Doch am Montag läuft alles noch nicht wie es soll. Zwar ist Schurig schon seit sechs Uhr in der Filiale, aber bis 8.30 Uhr hat er es noch nicht geschafft, sich einen Überblick über seine Filiale zu verschaffen. Er muss erst einmal die Fragen der Journalisten beantworten. Aber Schurig bleibt ruhig. „Es gibt so viel zu tun. Ich komme nicht dazu, aufgeregt zu sein.“ Filialleiter Rafael Philipzig kann sich dagegen in dieser Woche fast zurücklehnen. „Wenn es ein Problem gibt, bin ich natürlich da“, sagt Philipzig. In dieser Zeit übt Schurig für die Zukunft. Schnell hat er allerdings festgestellt: „Chef zu sein, ist schon eigenartig. Es ist schwierig, den anderen zu sagen, was sie tun sollen.“ Er sei schließlich nicht viel älter als seine Mitarbeiter. Das Personal ist im Durchschnitt 18,6 Jahre jung. Chefallüren kann sich Schurig nicht leisten. „Ich packe schon selbst mit an.“ Über seine weitere Karriere macht er sich keine Gedanken. Sein nächstes Ziel ist bescheiden. „Ich will, dass diese Woche super läuft und die Kunden zufrieden sind.“

Auch beim Konkurrenten Kaufland hat man schon einmal 114 Nachwuchskräfte auf die Probe gestellt. Sie managten im Juni die Kaufland-Filiale im Victoria-Center. Länger werden die Auszubildenden dagegen bei Butter Lindner in die Verantwortung genommen: Seit eineinhalb Jahren gibt es eine Jugendfiliale in Friedenau. Vier Azubis schmeißen mit Hilfe der Leiterin den Laden. „Schneller, zackiger, lustiger als in anderen Filialen“, sei das junge Team, sagt die 22-jährige Auszubildende Anke Oelstrom. Doch nicht immer läuft alles glatt. „Ab und zu drückt man ein Auge zu. Wir lernen schließlich noch.“ app

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