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Politik: Blockieren oder Kontrollieren

Was die Wahlen in Hessen und Niedersachsen für die Mehrheit im Bunderat bedeuten können

Hört man die Wahlkampfreden der beiden wichtigsten Protagonisten, dann geht es in Hessen und Niedersachsen um weit mehr als um eine schnöde Landtagsmehrheit. Es geht ums Ganze, um die Macht im Bund – jedenfalls im Bundesrat. Also sieht Sigmar Gabriel im doppelten Sinne schwarz, wenn er vor einem CDU-Sieg in den beiden Ländern warnt: Die Union strebe eine Blockademehrheit im Bundesrat an, sagt der niedersächsische SPD- Ministerpräsident. Und um den Schrecken noch zu erhöhen: „Die CDU will versuchen, Roland Koch über diese Blockademehrheit den Weg ins Kanzleramt zu ebnen.“

Roland Koch, Ministerpräsident in Wiesbaden, denkt auch weit über sein Land hinaus und ebenfalls an den Bundesrat. Er beschwört in seinen Reden nicht weniger dramatisch, dass es um die „Kontrollmehrheit“ in der Länderkammer gehe, um die Kontrolle der rot-grünen Koalition in Berlin, über deren Politik Koch in Hessen eine Volksabstimmung abzuhalten gedenkt.

Die Mehrheit in der Länderkammer liegt mit 35 der 69 Stimmen derzeit schon bei den Unions-Ländern, Blockade ist also so gut möglich wie Kontrolle. Bei den Hartz-Gesetzen kamen die Machtverhältnisse, die de facto einer großen Koalition auf Bundesebene gleichkommen, mit dem Kompromiss vom Dezember schon zum Tragen. Die Panik bei der SPD ist dennoch begründet. Da beim Urnengang in Bayern am 21. September kein Regierungswechsel zu erwarten ist, wird diese Unions-Mehrheit in der Länderkammer mindestens bis in den Herbst 2004 halten, wenn die Wahlen in Sachsen, Brandenburg, Thüringen und im Saarland anstehen. Sollte sich dann auch nichts ändern, müssen sich Schröder & Co. bis zum Ende der Legislaturperiode mit der Union arrangieren.

Nur wenn Koch verliert und Gabriel gewinnt, wäre die Bundesratsmehrheit der Union gebrochen – eine Mehrheit der SPD-Länder ergäbe sich aber nicht, denn diese kämen dann nur auf 32 der 69 Stimmen. Die großen Koalitionen in Bremen und Brandenburg wären wieder entscheidend. In Bremen wird am 25. Mai gewählt, käme es dort zu einer Regierung ohne CDU-Beteiligung, hätte Gerhard Schröder den Bundesrat nicht mehr gegen sich. Natürlich könnte auch die große Koalition in Brandenburg platzen, um das Ziel zu erreichen. Aber Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will offenbar an der Koalition festhalten.

Solche Spekulationen sind angesichts der Umfragen für Hessen und Niedersachsen nicht sehr wirklichkeitsnah. Eher sieht es so aus, dass sich die Mehrheit der Union halten wird oder sogar festigt. Bei einem Sieg von Koch in Hessen und Christian Wulff in Niedersachsen läge sie bei 41 Stimmen.

Aber nicht nur die Union will über den Bundesrat mitreden. Auch in der FDP sieht man die eigenen Chancen wachsen, die eine oder andere Entscheidung zu beeinflussen. Käme es auch in Niedersachsen zu Schwarz- Gelb, wären die Freien Demokraten in sieben Landesregierungen vertreten (eine davon, in Rheinland-Pfalz, allerdings mit der SPD). Immerhin ein Potenzial von 28 Stimmen, das sich bei Uneinigkeit in der Koalition über die übliche Enthaltungsklausel lahm legen ließe. Vor allem FDP-Vize Walter Döring, Wirtschaftsminister in Stuttgart, erhofft sich davon eine Profilierungsmöglichkeit für die Partei und sich. Die von einigen Unions-Politikern propagierte „Gestaltungsmehrheit“ im Bundesrat ist jedenfalls nur eine halbe Sache, wenn die FDP nicht mitmacht. Beim Zuwanderungsgesetz etwa haben FDP-Politiker schon angedeutet, wolle man die eigene Position, die näher am rot- grünen Entwurf liegt, geltend machen.

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