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Protest vor der Zentrale von Fox News im März 2019.

© AFP/Drew Angerer

Wegweisender Prozess gegen US-Sender Fox: Sind Fake News von der Pressefreiheit gedeckt?

Bei der US-Wahl 2020 verbreiteten Fox-Moderatoren wohl bewusst die Falschmeldung, Wahlmaschinen seien zum Nachteil von Donald Trump manipuliert worden. Nun wehrt sich deren Hersteller vor Gericht.

Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Es könnte ein Verfahren sein, das in die Geschichte eingeht. Können sich Medien bei der Verbreitung falscher Behauptungen auf die Pressefreiheit stützen? Diese Frage steht im Zentrum des Prozesses des Wahlmaschinenherstellers Dominion Voting Systems gegen Fox News, der an diesem Dienstag in den USA beginnt.

Das Unternehmen wirft dem Fernsehsender vor, es geschäftsschädigend verleumdet zu haben. Nach der US-Präsidentschaftswahl 2020 wurde in den Sendungen des Kanals wiederholt die Behauptung verbreitet, dass Dominion Voting Systems die Wahl manipuliert habe, um eine erneute Amtszeit von Donald Trump zu verhindern. Smartmatic, ein weiterer Hersteller, strengt ebenfalls ein Verfahren gegen Fox an.

Eines steht bereits jetzt fest: Die amerikanische Demokratie hat erheblichen Schaden genommen. Denn die Überzeugung, dass Präsident Joe Biden nicht legitimer Gewinner der Wahl 2020 gewesen sei, hält sich bei vielen bis heute hartnäckig. 63 Prozent aller Republikaner glauben laut einer aktuellen CNN-Umfrage weiterhin daran.

Fox beruft sich auf die Pressefreiheit und beteuert, lediglich über Anschuldigungen berichtet zu haben. Doch Aufzeichnungen, die Dominion im Rahmen der Klage vorlegte, deuten in eine andere Richtung. Viele der Moderatoren und Führungskräfte des Senders, der Trump während seiner Amtszeit unterstützte, wussten, dass die Behauptungen über den Wahlbetrug falsch waren. Und verbreiteten sie dennoch weiter. Aus Sorge darum, dass die Zuschauerzahlen einbrechen könnten.

Neben konservativen Starmoderatoren des Senders wie Sean Hannity und Tucker Carlson soll nun auch Rupert Murdoch, der Vorsitzende der Fox Corporation, zu der der Sender gehört, vor Gericht erscheinen.

Medienunternehmer Rupert Murdoch hat die Verbreitung von Falschbehauptungen nach den Präsidentschaftswahlen 2020 durch einige Kommentatoren von Fox News eingeräumt.

© dpa/AP/Mary Altaffer

In einer Aussage unter Eid gab Murdoch bereits an, gewusst zu haben, dass die Behauptungen falsch seien, jedoch nichts gegen ihre wiederholte Ausstrahlung unternommen zu haben.

Die Vorkommnisse bei Fox führen den Verfall der amerikanischen Medienlandschaft in erschreckender Weise vor Augen. Polarisierung ist in den USA kein neues Phänomen. Doch die Aufspaltung und Verhärtung der Lager hat in den letzten Jahren signifikant zugenommen – verstärkt während der Trump-Ära, die längst nicht überstanden ist. Und die Medien haben an dieser Entwicklung einen entscheidenden Anteil.

„Neutrale“ Medien sind in den USA kaum mehr zu finden. Auch wenn die Qualitätsansprüche und -unterschiede teils eklatant sind, gibt es auf beiden Seiten eingefärbten Meinungsjournalismus. Was Fox News für den rechten Teil des Spektrums ist, ist MSNBC für den linken.

Damit einher geht ein massiver Vertrauensverlust in die Medien. Eine Gallup-Umfrage ergab 2022, dass 64 Prozent aller Amerikaner kaum oder keinerlei Vertrauen darin haben, dass die Medien Nachrichten „vollständig, akkurat und fair“ berichten. Diese Entwicklung zeigt dramatische Auswirkungen auf die Meinungsbildung in den USA. Wer derart verunsichert ist, wird umso leichter zum Opfer von Desinformation und Verschwörungstheorien.

Der aktuelle Prozess gegen Fox kann die Zweifler nur in ihrer Ansicht bestätigen. Um akkurate Berichterstattung ist es dem Sender offensichtlich nicht gegangen. Im Gegenteil. In einer politisch aufgeheizten Situation wurden wider besseres Wissen hetzerische Behauptungen aufgegriffen und wiederholt ausgestrahlt. Die Gefahr für die politische Stabilität des eigenen Landes und für die Integrität der Demokratie wurde mindestens in Kauf genommen.

Das offenbart schonungslos, dass es bei Sendern wie Fox News längst nicht mehr um Qualitätsjournalismus geht. Standards der beruflichen Ethik scheinen keine Rolle zu spielen. Es geht um Geld und Einflussnahme. Medien verkommen zum politischen Instrument.

Die Latte für Verleumdung ist im amerikanischen Recht bewusst hoch gehängt. Die Zeichen stehen dennoch gut, dass Dominion den Prozess – in erster Instanz – gewinnen wird. Ein politischer Fall wie dieser könnte in der Berufung jedoch auch bis vor den US Supreme Court gehen. Fest steht, dass es zu einer für die US-Medien wegweisenden Entscheidung kommen wird.

Auch über die Grenzen der USA hinaus sendet der Fall eine eindeutige Botschaft: Warnsignale in Richtung einer politischen Instrumentalisierung von Medien dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

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