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Die Katastrophe. 101 Menschen starben vor 15 Jahren im ICE 884 bei Eschede. Foto: dpa

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ICE-Katastrophe von Eschede: „Ein versöhnliches Ende“

15 Jahre nach dem ICE-Unglück von Eschede will sich die Bahn bei den Opfern entschuldigen.

Berlin - Verzeihen konnte Heinrich Löwen all die Jahre über nie. Nicht der Bahn, nicht nach allem, was geschehen war. Die Toten würden nicht wieder lebendig, was das Unternehmen auch tue, hat ihm der damalige Konzernchef Hartmut Mehdorn vor ein paar Jahren beschieden. Bei ihrem Treffen gab es Käseschnittchen, nach gut 20 Minuten war schon alles gesagt. „Vergeben kann man erst, wenn das Gegenüber um Entschuldigung und Verzeihung bittet“, hat Heinrich Löwen immer wieder gesagt. Mehdorn „mit seiner Härte“ habe das nicht gekonnt.

Das soll kommenden Montag anders werden. Am 3. Juni vor 15 Jahren zerschellte an einer Brücke im niedersächsischen Eschede der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“. 101 Menschen kamen damals ums Leben, Löwen verlor Frau und Tochter. Weitere 105 Passagiere wurden schwer verletzt – es war das größte Eisenbahnunglück in der Geschichte der Bundesrepublik. Dafür will sich nun zum ersten Mal ein Verantwortlicher der Deutschen Bahn entschuldigen. „Ich bin froh, dass ich das machen kann“, sagte Rüdiger Grube, der heute das Unternehmen leitet, der dpa. „Wir wollen ein versöhnliches Ende des Konfliktes zwischen der Bahn und den Hinterbliebenen und Opfern.“

Grube will ein für die Bahn unrühmliches Kapitel schließen. Nach dem Unglück fand man heraus, dass der ICE durch den Bruch eines Radreifens entgleist war. Zwar hat der Konzern nach eigenen Angaben bis heute insgesamt mehr als 30 Millionen Euro an Schmerzensgeld gezahlt, für medizinische Behandlungen, Unterhalt, Ausbildung oder Renten. Auch die Gedenkstätte für das Unglück hat er vor kurzem überarbeiten lassen.

Doch eine persönliche Note gab es nicht – zunächst aus juristischen Gründen, erst 2003 wurde der Strafprozess vor dem Landgericht Lüneburg gegen drei Ingenieure eingestellt. Später kam es dann nicht mehr zu einer Annäherung an die Opfer, auch weil sich die damalige Konzernspitze sperrte. Zugleich warfen die Opfer um Heinrich Löwen, der eine Selbsthilfegruppe gegründet hat, der Bahn stets vor, dass eine bessere Wartung Eschede hätte verhindern können. Und bei der Aufarbeitung habe sie sich „an trockene, dürre Paragrafen geklammert“.

„Der Umgang des Vorstands mit dem Unglück war für die Opfer demütigend“, sagt heute der Berliner Rechtsanwalt Reiner Geulen, der Löwen und andere über Jahre vertreten hat. „Für sie ist die Ankündigung von Herrn Grube eine große Erleichterung und Genugtuung.“

Unabhängig von den Opfern wirkt Eschede für die Bahn bis heute nach. Zwar setzt sie noch immer auf Hochgeschwindigkeit, doch die Radreifentechnik setzt sie nicht mehr ein. Bei allen Problemen mit Rädern und Achsen sehen die Prüfbehörden sehr genau hin. Der Branche ist klar: Noch ein Unglück wie in Eschede würde womöglich das Ende des Kapitels ICE bedeuten.

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