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Oskar Schlemmers, „Abstrakte Figur“ von 1921

© Fotostudio Bartsch Berlin

Im Sturm des Tanzes: Skulpturen der klassischen Moderne

Der Berliner Kunsthandel Wolfgang Werner bringt skulpturale Ikonen der Moderne zusammen

Von Angelika Leitzke

Sie dreht sich in scheinbar atemberaubender Geschwindigkeit, und mit ihr rauschen die Röcke, legen sich in Falten. Nicht umsonst hat Bernhard Hoetger 1901 seine nur 31 Zentimeter hohe Bronze-Statuette „Der Sturm“ getauft. Modell war Loïe Fuller, die amerikanische Pionierin des modernen Ausdruckstanzes, die ihr Gewand anhand von Stäben bewegte und Triumphe in den Pariser „Folies Bergère“ und im Berliner „Wintergarten“ feierte. Ihren Serpentinentanz verwandelte Hoetger während seiner Pariser Jahre in eine dekorative Jugendstilplastik mit expressiven Einschlag. Sie bildet den Auftakt einer Ausstellung im Kunsthandel Werner mit Fokus auf vier Bildhauern, die im frühen 20. Jahrhundert der deutschen Plastik wichtige Impulse gaben. Im Nationalsozialismus fielen sie unter das Verdikt „entartet“.

Rudolf Belling fasste seine „Tänzerin“ 1916 etwas anders als Hoetger auf. Hier zeigt die junge kokette Dame Anklänge an das kubistische Formenvokabular, ihr Schärpe fällt kaskadenartig zu Boden, doch die Anmut des Tanzes bleibt gewahrt. Berühmt wurde Belling durch seine inzwischen zum Museumsstück gewordene Bronze „Dreiklang“ von 1919, eine Rundplastik ohne feste Hauptansicht, die als das erste kubistisch Werk in Deutschland dieser Art gilt. Man könnte sie interpretieren als drei abstrakte Figuren, die im Raum kreisen, oder symbolisch als eine Vereinigung der tradierten Künste von Plastik, Bildhauerei und Architektur.

Oskar Schlemmer ist mit einer seiner raren Plastiken vertreten

Bellings roboterartiger messingpolierter Kopf von 1923, ebenfalls zum Museumsstück geworden, sprengte die damals gängige Vorstellung von einer Porträtplastik wohl komplett, war er doch eine geistvolle Antwort auf die zunehmende Technisierung menschlichen Lebens. Auf sie reagierte Hermann Blumenthal, der in der Berliner Ateliergemeinschaft Klosterstraße eine Zuflucht für individuelle Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb der NS-Kunstdoktrin fand, mit seinen von der antiken Kunst geprägten Werken. Bei Werner ist Blumenthal mit seinen statuarischen Liegenden und Stehenden aus den frühen dreißiger Jahren zu sehen.

Der Vierte im Bunde ist der Bauhaus-Meister Oskar Schlemmer. Er schuf nur zwei Rundplastiken, darunter die bei Werner gezeigte „Abstrakte Figur“ von 1921/23: hier ist der Mensch zu einer entindividualisierten Kunstfigur aus geometrischen und stereometrischen Grundformen stilisiert, die auch von Schlemmers Interesse an Tanz und Marionettentheater zeugt. Nach dem Originalgips entstand 1961 in der Berliner Gießerei Noack der Probeguss in Nirostastahl, poliert in einem Fachbetrieb für Stahltürklinken.

Ergänzt wird diese Skulpturenschau (Preise auf Anfrage) durch zweidimensionale Werken der klassischen Moderne: ein kleinformatiges Stillleben von Auguste Renoir, ein Blick auf den Wannsee von Max Liebermann oder ein mythisches Arkadien von Ernst Wilhelm Nay. Willi Baumeister ist mit drei abstrakten Ölbildern aus den 1930ern vertreten: die „Senkrechte mit Wimpelform“ war im Katalog zur legendären Ausstellung „Twentieth Century German Art“ von 1938 in London abgebildet, die eine Reaktion auf die Münchner Feme-Schau „Entartete Kunst“ von 1937 war. Das Gemälde wurde aber in London nicht gezeigt. (Kunsthandel Wolfgang Werner, Fasanenstr. 72; bis 11. Februar, Di-Fr von 10-18 Uhr, Sa von 11-15 Uhr)

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