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Kaum eine Stunde im Amt ist schon US-Amtskollege Lloyd Austin beim neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu Gast.

© dpa/Michael Kappeler

Panzerdebatte prägt Pistorius’ Premiere: Eine kürzere Schonfrist hat es wohl noch nie gegeben

Der Start des Verteidigungsministers steht im Zeichen neuer Ukrainehilfen. Der Kanzler ist nun bereit zum Kampfpanzer-Export - wenn die USA mitziehen.

Einen kurzen Moment der Heiterkeit gibt es auch an diesem ernsten ersten Arbeitstag von Boris Pistorius, der geprägt ist davon, wie der Ukraine noch wirkungsvoller gegen Russlands brutalen Angriffskrieg beigestanden werden kann.

Jedenfalls freut sich US-Verteidigungsminister Lloyd Austin darüber, als Erster vom neuen deutschen Amtskollegen empfangen zu werden - und scherzt: „Das ist ja auch nicht so schwer, Sie sind ja erst seit einer guten Stunde im Amt.“

Eine kürzere Schonfrist hat es wohl noch nie gegeben. Aber es sind eben auch, wie Pistorius nach der Begrüßung mit militärischen Ehren sagt, „keine normale Zeiten - es ist Krieg in Europa“. Er will die Bundeswehr wieder „stark“ und zu einem Instrument der „Abschreckung“ machen. Zugleich sagt er klarer als seine SPD-Parteifreundin und Amtsvorgängerin Christine Lambrecht, dass Kiew „auch mit Material aus der Bundeswehr“ unterstützt werden muss.

US-Verteidigungsminister lobt Deutschland

Mehr ins Detail geht der Neue auch nicht während der öffentlichen Begegnung mit Austin. Der lobt die Deutschen dafür, „zuverlässige Verteidiger“ der Allianz zu sein und einen „unschätzbaren“ Beitrag für die Ukraine geleistet zu haben. Zum Treffen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, das die weitere Militärhilfe koordinieren soll, gibt er sich jedoch wortkarg. Austin sagt nur, man werde dort gegenüber der Ukraine „die gemeinsame Zusage erneuern“. Kein Wort dazu, ob sie auch die Lieferung schwerer Kampfpanzer der Typen Abrams oder Leopard einschließt.

Ob Austin und Pistorius diesen Freitag in Rheinland-Pfalz also tatsächlich den „substanziellen Fortschritt“ verkünden können, mit dem der SPD-Abgeordnete Dietmar Nietan in der parallel stattfindenden Bundestagsdebatte zum Thema rechnete, war am Donnerstag zumindest fraglich.

Die Unionsfraktion, die einen entsprechenden Antrag ins Parlament eingebracht hat, dringt in Gestalt ihres Fraktionsvizes Johann Wadephul mit Vehemenz darauf. „Es ist jetzt die Zeit, dass Deutschland endlich grünes Licht für die Lieferung von Kampfpanzern gibt.“

Scholz und Biden sprechen über Kampfpanzer

Im Verteidigungsministerium aber gibt es noch keinen neuen Sachstand zu vermelden zu Leopard-2-Panzern. Weiter läuft demnach keine offizielle Abfrage, wieviel Stück die Bundeswehr im Zweifelsfall aus eigenen Beständen an die Ukraine abgeben könnten.

Ebenso wenig sollen im zuständigen Wirtschaftsministerium Anträge für den sogenannten Reexport vorliegen – obwohl etwa Finnland oder Polen inzwischen öffentlich die Genehmigung der Bundesregierung einfordern, einen Teil ihrer aus Deutschland bezogenen Leoparden nun an die Ukraine weitergeben zu dürfen.

Öffentlich bekannt ist nun aber, dass auch an der Regierungsspitze darüber debattiert wird. In Regierungskreisen wurden dem Tagesspiegel mehrere Medienberichte dazu bestätigt, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsident Joe Biden die Lieferung schwerer Kampfpanzer erstmals Mitte Dezember und zuletzt in einem weiteren Telefonat am Dienstagnachmittag erörtert haben.

Regierung schraubt Erwartungen an Ramstein herunter

Wie aus dem Kanzleramt zu hören ist, hat Scholz das Anliegen speziell der osteuropäischen Nato- und EU-Partner aufgegriffen, zugleich möchte er den Schritt vorzugsweise nur gehen, wenn die Amerikaner ihn auch gehen - von einer harten Bedingung oder gar Erpressung könne aber keine Rede sein.

Ein Junktim sei ihm „nicht bekannt“, sagte auch Pistorius am Abend in der ARD. Weil der Abstimmungsprozess mit Washington am Donnerstagnachmittag noch nicht abgeschlossen war, -rechnete die Bundesregierung intern offenbar noch nicht mit konkreten Ankündigungen in Ramstein, Pistorius sagte am Abend, dies werde sich in den kommenden Stunden entscheiden.

Eine mögliche Koppelung von Leopard-Lieferungen an die Lieferung amerikanischer Abrams heißt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, nicht gut: „Wir dürfen uns in Europa nicht spalten lassen. Deutschland muss die Ausfuhr des Leopard-Panzers sofort zulassen - die europäischen Nachbarn warten darauf.“

Schon Scholz’ Vorgängerin Angela Merkel habe Europa gespalten, weil sie „2014 trotz des ersten Angriffs auf die Ukraine das Nordstream II Projekt ohne Rücksicht auf Europa und ohne Rücksicht auf die Ukraine vorangetrieben hat“.

Lob gibt es von ihr dagegen für den neuen Verteidigungsminister, der sich schon am Tag vor seinem Amtsantritt mit ihr getroffen hat: „Das Gespräch zwischen Herrn Pistorius und mir war sehr offen.“

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