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Innenminister Michael Stübgen (CDU) bei der Vereidigung Brandenburger Polizisten 2020.

© Paul Zinken/dpa

Debatte über Treuecheck: Kritik an geplanter Überprüfung von Beamten

Bei einer Anhörung im Landtag kam der von Innenminister Michael Stübgen (CDU) vorgesehene Verfassungstreue-Check für angehende Polizisten, Lehrer und Juristen auf den Prüfstand.

Die Fälle, die Jerzy Montag im Innenausschuss des Potsdamer Landtags aufzählt, sind erschreckend. In 46 Chatgruppen teilen mehr als 100 Polizeibeamte rechtsextremistische und antisemitische Inhalte. Das um die Welt gegangene Bild des kleinen syrischen Flüchtlingsjungen Alan Kurdi, tot am Strand der türkischen Mittelmeerküste, wird auf schlimmste Weise verunglimpft. Ein Foto des Eingangstors des Konzentrationslagers Auschwitz mit der Inschrift „Judenherberge“ oder eines von Adolf Hitler, der auf einen rauchenden Kamin weist, werden zigfach geliked. Von Polizisten.

Zweifel über Nutzen des geplanten Checks

„Keiner hat in diesen Chatgruppen erklärt: Das geht zu weit“, berichtet Montag, Rechtsanwalt sowie Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Die Rede ist von Vorfällen in Hessen. Aber könnte sich so etwas auch in Brandenburg abspielen und vor allem: Könnte der von Innenminister Michael Stübgen (CDU) geplante Verfassungstreue-Check für Beamte solche Auswüchse verhindern? Und für wen soll er gelten?

Um diese Fragen ging es am Mittwoch bei einer vierstündigen Expertenanhörung im Innenausschuss. Jerzy Montag, früherer rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, ist der Meinung: Nur angehende Polizisten sollten einer Abfrage beim Verfassungsschutz vor ihrer Einstellung unterzogen werden. Weil Erkenntnisse zu vor allem rechtsextremen Umtrieben hauptsächlich Sicherheitsbehörden beträfen und Polizisten dazu befugt seien, notfalls Waffengewalt anzuwenden. 95 bis 98 Prozent der Polizeibeamten absolvierten ihren Dienst völlig ordentlich, so Montag. „Die Regelabfrage richtet sich nicht gegen die Polizei, sie hilft der Polizei“, ist er überzeugt. Weil denjenigen, die durch verfassungsfeindliche Tendenzen nicht für den Dienst geeignet seien, der Zugang verwehrt werde.

Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) hat daran ihre Zweifel, weil sich nicht wenige erst im Laufe der Zeit radikalisierten. Sie erinnerte an den Fall eines früheren Dozenten der Polizeihochschule in Oranienburg, der Mitglied des unter Rechtsextremismus-Verdachts stehenden Vereins „Uniter“ war. „In dem Fall hätte eine Regelabfrage nichts gebracht, er wäre durchs Raster gefallen“, so Johlige. Eine „kritische Organisationskultur“ sei eher geeignet, Extremisten zu entlarven.

Auch Montags Einschätzung, dass nur Polizisten dem Treuecheck unterzogen werden sollten, teilen nicht alle. Die Gewerkschaft der Polizei hatte frühzeitig davor gewarnt, eine vorverurteilende „Lex Polizei“ zu schaffen. Auch Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge sprach sich bei der Anhörung für eine Abfrage für alle aus. Durch die Digitalisierung gehe die Gefahr immer mehr in die Breite. Auch Beamte, die für kritische Infrastruktur verantwortlich sind, oder Lehrer könnten den gesellschaftlichen Frieden gefährden.

Stübgens Entwurf, der erst den Landtag passieren muss, sieht vor, dass - bundesweit bislang einmalig - alle angehenden Beamten, aber auch Richter, überprüft werden. Vor der Einstellung soll vom Dienstherr eine Anfrage beim Verfassungsschutz gestellt werden, der dann darüber informiert, ob über den Bewerber Erkenntnisse wegen der Mitgliedschaft in extremistischen Gruppierungen, das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole oder Straftaten wie Volksverhetzung vorliegen. In der rot-schwarz-grünen Koalition stehen die Grünen dem geplanten Gesetz skeptisch gegenüber.

Die Opposition aus Linken und AfD - beide sehen sich an den Radikalenerlass der alten Bundesrepublik erinnert - sprechen sich dagegen aus. So ein Gesetz wäre ein „Einschüchterungsversuch auf die Meinungsfreiheit“, sagte der Anwalt und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig im Ausschuss. Zudem habe er Zweifel, dass der Verfassungsschutz frei agiere, so lange er dem Innenministerium unterstellt sei, das von einem Parteipolitiker geführt werde.

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