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Installation „Power Plants“ der Künstlerin Hito Steyerl (2019).

© VG Bild-Kunst

Die Geschichte hinter dem Bild: Hito Steyerl, Power Plants, 2019

Mithilfe von Künstlicher Intelligenz generiert Medienkünstlerin Hito Steyerl eine Art künstlichen Garten der Zukunft.

Eine Kolumne von Alessandra Nappo

Die Medienkünstlerin Hito Steyerl (geboren 1966, München) besetzt eine der bedeutendsten künstlerischen Positionen der Gegenwart. Seit Mitte der 1990er Jahre setzt sie sich kritisch mit Themen wie Postkolonialismus, Krieg, Gewalt, Kapitalismus, Überwachung und Künstliche Intelligenz auseinander. Ihre Videoinstallation „Power Plants“ (2019), die 2021 von der Staatsgalerie gekauft wurde, zeigt eindrücklich, wie die Künstlerin mit innovativen medialen Präsentationsformen experimentiert und brisante Themen aufgreift.

Auf sechzehn Monitoren sind farbenprächtige, ineinanderfließende Pflanzen zu sehen, die mithilfe Künstlicher Intelligenz generiert wurden und eine Art künstlichen Garten der Zukunft darstellen. Diese von Steyerl programmierten neuronalen Netzwerke, die dem menschlichen Gehirn und Nervensystem nachempfunden sind, erzeugen in permanenter Wiederholung auf Grundlage des aktuellen Videobildes das jeweils darauffolgende Einzelbild. Somit sagt jede der Pflanzen vermeintlich ihre eigene Zukunft voraus – in exakt 0,04 Sekunden (bei 24 Einzelbildern pro Sekunde).

Vielschichtiger Titel

Steyerl versieht die dazugehörigen Lauftextzeilen mit spekulativen Beschreibungen der Pflanzen sowie mit erfundenen lateinischen Namen. Mit dem Titel „Power Plants“ spielt die Künstlerin auf die Mehrdeutigkeit der englischen Begriffe power (Macht / Strom) beziehungsweise power plant (Kraftwerk) an. So werden unterschiedliche Aspekte thematisiert, die unsere aktuelle Lebenswelt prägen: der enorme Energieverbrauch, den digitale Technologien erfordern, die politischen Machtverhältnisse sowie die Bedeutung des Ökosystems für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz, die oft als vorteilhaft für die menschliche Entwicklung angesehen wird, dient der Künstlerin als Warnung: Aus vergangenen Daten lassen sich keine verlässlichen Aussagen über eine mögliche Zukunft treffen. Und so entsprechen die neu gebildeten Pflanzen auch selten ihren natürlichen, real existierenden Artgenossen. In Steyerls Zukunftsszenario ist es die Vegetation, die sich die menschliche Zivilisation aneignet, sie unterwandert und ihre eigene Kraft entfaltet.

Alessandra Nappo ist Kuratorin für das 19. und 20. Jahrhundert an der Staatsgalerie Stuttgart.

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