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Die Kuratorin Hanna Rudyk floh 2022 mit zwei Kindern nach Berlin und leitet jetzt das Projekt ‚Reflexive and Ethical Mind‘.

© Christian Kielmann

Dominiert und kolonisiert: Kultur der Ukraine neu denken

In ihrem Projekt ‚Reflexive and Ethical Mind‘ untersucht Hanna Rudyk Maßnahmen zur Dekolonisierung in Museen für islamische und asiatische Kunst – auch in Deutschland.

Von Patricia Pätzold

Gähnende Leere im Museum: Jahrhundertealte, weltweit einzigartige Keramiken, Statuetten, Gemälde und Wandbehänge – sie sind weg. „Wir haben sie gleich zu Kriegsbeginn in Depots und europäische Museen wie den Pariser Louvre oder Schlösser in Polen und Litauen gebracht“, erzählt Hanna Rudyk. Sie ist Kuratorin für islamische Kunst und verantwortlich für Bildung und öffentliche Programme am Khanenko-Museum in Kiew. Es besitzt die größte und wertvollste Sammlung europäischer, asiatischer und antiker Kunst in der Ukraine.

Mit zwei Kindern floh Hanna Rudyk 2022 nach Berlin, bekam ein Kurzzeit-Stipendium am Museum für islamische Kunst und schließlich, dank der Unterstützung des TU-Instituts für Kunstgeschichte und Historische Urbanistik von Bénédicte Savoy, ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung. Ihr Projekt ‚Reflexive and Ethical Mind‘ untersucht Maßnahmen zur Dekolonisierung in Museen für islamische und asiatische Kunst in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Polen.

„Dieses Thema ist bei uns schon lange überfällig. Ich möchte das Wissen gern in die Ukraine bringen, die Diskussion anstoßen“, sagt Rudyk. Allerdings sei das Spektrum für die Ukraine viel breiter. Obwohl selbst nie Kolonialmacht, gehöre die Ukraine selbst zu den Kolonisierten, und zwar von zwei Seiten. Über die Jahrhunderte von verschiedenen imperialistischen Kulturen dominiert, habe sie das westliche koloniale Denken übernommen.

Von Osten her wurde die Ukraine zudem von Russland beziehungsweise der ehemaligen Sowjetunion politisch kolonisiert. „Ich möchte, wenn ich hoffentlich 2024 zurückkehre, sowohl einen Diskurs zur Emanzipation von der westlichen kolonialen Denkweise initiieren als auch eine De-Russifizierung oder De-Sowjetisierung der spezifisch ukrainischen Kultur.“ Museen seien Wissensvermittler. „Was immer sie sagen, ist für die Öffentlichkeit die Wahrheit“, so Rudyk. „Deshalb möchte ich Schulen und Familien konzeptionell einbinden und sie zu kritischerem Denken anregen.“ Nur so könne man die in den Köpfen bestehende Rangordnung von Kulturen aufbrechen. 

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