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Blick über den Campus. Andreas Wanke auf dem Dach der Rost- und Silberlaube, das mit Solarzellen bestückt ist, im Hintergrund die Kuppel der Philologischen Bibliothek.

© Bernd Wannenmacher

Forschung zu sozialem Zusammenhalt: „Wir sind nicht hilflos ausgeliefert“

Wie die FU von der Energiekrise betroffen ist und sich dagegen wappnet – Gespräch mit Andreas Wanke, Leiter der Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie.

Von Kerrin Zielke

Herr Wanke, wie stellt sich die Freie Universität auf die steigenden Energiekosten und die drohende Gasknappheit ein?
Die Energiekrise ist auch für uns ein ernstes Thema. Rund ein Drittel unserer Wärmeversorgung beruht auf Erdgas. Die Wärmeversorgung des Hauptcampus Dahlem basiert überwiegend auf Fernwärme, die aber wiederum zu einem großen Teil mit Erdgas erzeugt wird. Es geht grundsätzlich um die Frage, wie wir als Universität – bei Aufrechterhaltung eines geordneten Semesterbetriebs – einen Beitrag zur Vermeidung der drohenden Energieknappheit im kommenden Winter leisten können. Das ist unsere gesellschaftliche Verantwortung.

Auf wie viel Mehrkosten für Strom, Fernwärme und Erdgas muss sich die Freie Universität einstellen? Welche Möglichkeiten hat die Uni, ihren Energiemix zu gestalten?
Gegenwärtig geht es der Freien Universität so wie fast allen. Wir müssen mit Energiekosten im kommenden Jahr rechnen, die aus der Vergangenheitsperspektive surreal anmuten. Beispielsweise sehen wir einer Vervier- oder Verfünffachung der Erdgaskosten entgegen. Da die Energiemärkte aber nach wie vor turbulent sind und politische Entscheidungen diesen Preissteigerungen noch entgegenwirken werden, ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, konkrete Kosten zu nennen. Wir müssen hier sozusagen auf Sicht fahren. Was den Energiemix anbelangt, sind unsere Möglichkeiten zur Veränderung begrenzt, aber selbstverständlich sollten wir alles tun, um unsere Solaranlagen so schnell wie möglich auszubauen.

Welchen Stellenwert hatte das Thema Energiesparen bislang an der Freien Universität?
Mit Blick auf die Energiekrise haben wir durch langjährige Arbeit eine gewisse Resilienz erworben. Schließlich haben wir unseren Energieverbrauch in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit einem Bündel unterschiedlicher Maßnahmen um 30 Prozent reduziert. Ohne diese Einsparerfolge, die unser Budget bereits heute um jährlich rund sechs Millionen Euro entlasten, würde uns die aktuelle Situation noch viel stärker herausfordern. Um weitere Schritte der Energieeinsparung einzuleiten, hat das Präsidium der Universität eine Arbeitsgruppe Energieeffizienz und Energiesicherheit eingesetzt.

Welche Aufgaben hat die Arbeitsgruppe?
Die Mitglieder entwickeln zum einen ein Kommunikationskonzept. Beim Energiesparen kommt es ja auf uns alle an. Die Gruppe geht zum anderen mit gebäudebezogenen Energiechecks quer durch die Universität, um Ansatzpunkte für weitere technische und organisatorische Energieeinsparungen zu identifizieren und diese in enger Abstimmung mit den Universitätsangehörigen vor Ort auch möglichst schnell umzusetzen. Unser Ziel ist es, mit diesen Maßnahmen im kommenden Winter bis zu 15 Prozent an Energie einzusparen. Das Land Berlin erwartet eine Einsparung von 10 Prozent von allen Hochschulen. Zusätzlich müssen wir uns als Universität auch darauf vorbereiten, dass es trotz aller Bemühungen tatsächlich zu einer Notsituation kommen kann. Wir werden deshalb Szenarien entwickeln, wie wir mit einer solchen Lage umgehen.

Wie kann eine Notfallstrategie aussehen?
Mit Blick auf eine eventuelle Energienotlage geht es uns wie dem ganzen Land. Wir können die Entwicklung in den kommenden Monaten nicht vorhersehen. Studierende und Beschäftigte können sich aber definitiv darauf verlassen, dass wir alles tun werden, einen geordneten Semesterbetrieb zu gewährleisten – und zwar in Präsenz und in temperierten Räumen. Gerade nach zwei Jahren vorwiegend digitalen Studienbetriebs ist uns dieses Signal sehr wichtig. Präsenz an der Universität ergibt aus Energiesicht auch Sinn. Schließlich müssen Studierende und Beschäftigte auch zu Hause heizen und den Laptop oder PC betreiben. Umgekehrt können sie zu Hause wirksam Energie sparen. In der AG beraten wir – für den Fall, dass tatsächlich eine Gasnotlage in Deutschland entsteht – Maßnahmen, die zu noch höheren Energieeinsparungen führen. Ohne örtliche oder zeitliche Einschränkungen des Präsenzbetriebes würde das absehbar nicht möglich sein. Unser Ziel ist es aber selbstverständlich, die Eingriffe so zu strukturieren, dass sie den Universitätsbetrieb so wenig wie möglich belasten.

Die Freie Universität ist vielfach international vernetzt, auch zum Thema Nachhaltigkeit. Hat die Freie Universität von Partnerhochschulen im Ausland lernen können?
Der Blick über die eigenen Grenzen ist immer hilfreich. Beispielsweise nach Japan, wo nach dem Reaktorunfall in Fukushima auch sehr schnell enorme Energieeinsparungen geleistet werden mussten. Die Kühltemperaturen in den dortigen Universitäten wurden massiv nach oben gesetzt, und die dortigen Universitätsgemeinschaften lernten, damit zu leben. Die Universitäten in Großbritannien arbeiten beispielsweise mit anderen Raumkonzepten, als wir es gewöhnt sind. Die gegenwärtige Situation der Energiekrise in Europa und insbesondere in Deutschland hat aber viele singuläre Züge. Während es in Japan damals vor allem um Stromeinsparungen ging, geht es bei uns vorwiegend um die Einsparung von Wärme.

Können an der Freien Universität vor dem Hintergrund konsequenten Energiesparens über zwei Jahrzehnte überhaupt weitere Einsparungen gelingen?
Wir fangen beim Thema Energieeffizienz glücklicherweise nicht bei null an. Dass wir bereits so viele Einsparungen erzielt haben, begrenzt zwar in gewisser Weise unser Potenzial. Andererseits können wir an unsere langjährigen Erfahrungen anknüpfen. Dazu zählt die Erkenntnis, dass sich solche Herausforderungen nur gemeinschaftlich lösen lassen. Energieeffizienz hat schließlich nicht nur eine technische Dimension, sondern hat auch mit betrieblicher Organisation und dem Verhalten zu tun. Gerade die Summe unseres Verhaltens und unsere Kreativität sollten wir nicht unterschätzen. Insgesamt können wir als Universitätsgemeinschaft einiges tun – was wir in der Vergangenheit schon bewiesen haben. Wir sind der Situation nicht hilflos ausgeliefert. Dieser Gedanke sollte uns in den kommenden Monaten leiten.

Für den Inhalt dieses Textes ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.

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