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Ein Polizeifahrzeug steht an einer Straße vor dem Messegelände. Am Vortag war es am Rande des umstrittenen Eritrea-Festivals zu Ausschreitungen gekommen, mehr als 20 Polizisten wurden verletzt.

© dpa/Arne Dedert

131 Personen in Gewahrsam: Polizei registriert 125 Strafverfahren nach Eritrea-Festival in Gießen

Gegner des Festivals, das vom regimenahen Zentralrat der Eritreer in Deutschland organisiert wird, störten die Veranstaltung und es kam zu Ausschreitungen. Nun ziehen die Ermittlungsbehörden Bilanz.

Nach den Ausschreitungen rund um das umstrittene Eritrea-Festival in Gießen sind nach Polizeiangaben bislang 125 Strafanzeigen erstattet worden. Dabei sei es fast ausschließlich um Landfriedensbruch gegangen, teilte die Polizei am Sonntagabend in einem vorläufigen Resümee ihres viertägigen Einsatzes rund um das Festival mit. 131 Personen seien in Gewahrsam genommen worden.

Zudem sprach die Polizei am Abend von 26 verletzten Beamten, nachdem gegen Mittag von 28 verletzten Polizisten die Rede gewesen war. Zwei der Fälle hätten sich nicht bewahrheitet, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Sieben der Beamten hätten schwerere Verletzungen wie einen Knochenbruch, offene Schürfwunden und Bänderrisse erlitten. Es sei nicht bekannt, dass Besucher oder Gegner der Veranstaltung schwerer verletzt worden seien oder unbeteiligte Dritte Verletzungen erlitten hätten. Insgesamt seien an den vier Einsatztagen im Zusammenhang mit den Veranstaltungen in der mittelhessischen Stadt in mehr als 1800 Fällen Personen kontrolliert oder ihre Identität festgestellt worden.

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Festival-Gegner riefen in sozialen Netzwerken zur Störung auf

Unmittelbar nach der Anmeldung des Eritrea-Festivals habe das Polizeipräsidium mit den Vorbereitungen begonnen, in die auch die Erfahrungen der Vorgängerveranstaltung im vergangenen August eingeflossen seien, hieß es. Auch damals hatte es gewaltsame Proteste mit verletzten Besuchern und Polizisten gegeben. In diesem Jahr habe es in sozialen Medien Aufrufe gegeben, die Veranstaltung gewaltsam zu verhindern.

Besucher des Eritrea-Festivals sitzen in der Gießener Messehalle. Am Rande des Festivals kam es zu Demonstrationen und Ausschreitungen.

© dpa/Thomas Frey

Diese hätten sich gegen die Besucher der Veranstaltung sowie gegen die Polizei gerichtet. Bei Beratungen mit der Kommune habe man die Gefahrenprognose im Zuge der Anreise gewalttätiger Störer auch aus dem europäischen Ausland skizziert für den Fall, dass die Veranstaltung stattfindet. „Die polizeiliche Gefährdungslagenbewertung wurde durch den Verlauf des gestrigen Tages leider bestätigt.“

Veranstalter des Festivals war der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, der wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem Land am Horn von Afrika als umstritten gilt. In Eritrea regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Auch Menschenrechtsorganisationen haben wiederholt von schweren Missständen berichtet. Die Gegner des Festivals wurden den Regimegegnern zugerechnet.

„Störer aus dem europäischen Ausland“

Bei Beratungen mit der Stadt habe man die Gefahrenprognose im Zuge der Anreise gewalttätiger Störer auch aus dem europäischen Ausland skizziert. „Die polizeiliche Gefährdungslagenbewertung wurde durch den Verlauf des gestrigen Tages leider bestätigt“, so die Polizei. Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, Heike Hofmann, sprach sich dafür aus, nicht nur das Sicherheitskonzept, sondern den Fortbestand des Festivals insgesamt kritisch zu hinterfragen. Es stelle sich die Frage, „ob die als ,Familienfest’ deklarierte Veranstaltung, die von Kritikerinnen und Kritikern als Propagandaveranstaltung des diktatorischen Regimes in Eritrea eingeordnet wird, noch einmal stattfinden“ könne.

Auch der Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) fordert eine Aufarbeitung. „Die Bilder, die aus unserer Stadt am Wochenende durch die Welt gingen, sind unerträglich“, wurde Becher in einer Mitteilung der Stadt zitiert. Tausende Unbeteiligte seien in ihrem alltäglichen Leben mehr als einen ganzen Tag massiv eingeschränkt worden. „Man muss angesichts dessen tatsächlich die Frage stellen:

Stehen diese Einschränkungen noch im richtigen Verhältnis zu dem Wunsch des Veranstalters, ein Fest zu feiern? Diese Frage gehört auf allen Ebenen - politisch wie juristisch - aufgearbeitet.“ Die Stimmung war in sozialen Netzwerken teils aufgeheizt. Die Polizei hatte vor Falschmeldungen gewarnt. Ein Sprecher sagte, dass ein Teil der im Internet kursierenden Videos, die Ausschreitungen zeigten, mutmaßlich aus dem Vorjahr stammten. (dpa)

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