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Berliner Schnauzen (32): Der Plumplori

Ein Baumbewohner, so schnell wie eine Schnecke. Genau das wird dem Feuchtnasenaffen gerade zum Verhängnis.

Von Andreas Austilat

Die Besucher des Nachttierhauses im Zoo müssen schon ganz nah an die Glasscheibe herangehen. Sonst bemerken sie den Plumplori nicht. Andere Tiere fallen durch ihre Bewegungen auf, sie huschen vorbei oder springen von Ast zu Ast. Nicht so der Plumplori: In Zeitlupe krabbelt der Feuchtnasenaffe den Baum hoch. Bedächtig schiebt er einen Arm nach dem anderen nach vorne. Umklammert lautlos mit seinen nackten Fingern die Äste. Sein katzengroßer Körper scheint jede Bewegung seltsam abzufedern. Die großen runden Augen spähen ins Dunkel, der Kopf dreht sich in alle Richtungen. Der Plumplori erinnert in seiner Langsamkeit an einen Roboter in Zeitlupe, nur ohne hydraulisches Getöse.

Die Bedächtigkeit ist Strategie. Zookurator Heiner Klös erklärt, dass die Anatomie auf die Lebensweise in den Regenwäldern Südostasiens abgestimmt ist. Die Beine sind dick und kräftig, die Arme schmal. Er hat Hände, die denen des Menschen ähneln. Damit greift er nach Beute, während er sich mit den Beinen am Ast festhält. Bei der Jagd kann der Primat ausnahmsweise mal schnell reagieren. Hat der Plumplori eine Heuschrecke oder eine Fliege erspäht, schießt sein Arm hervor, und er packt blitzschnell zu.

Der Lori ist so spezialisiert, dass er die Bäume fast nie verlässt. „Festhalten bedeutet für den Plumplori Entspannung, das Öffnen der Handflächen ist für die Tiere sehr anstrengend.“ Darin unterscheidet er sich von den meisten Säugetierarten. Je ruhiger und heimlicher er sich im Geäst bewegt, desto weniger fällt er auf. Tagsüber schläft das Tier auf einem Ast. Dazu steckt es den Kopf zwischen die Beine und verschränkt die Arme darüber. Der Grund: Seine riesigen roten Augen sind bei Tageslicht gut für Adler und Würgeschlangen auszumachen, seine ärgsten Feinde.

Die Langsamkeit hat allerdings ihren Preis. Wilderer suchen die Wälder oft nach Plumploris ab, weil sie beliebte Haustiere geworden sind. Ist ein Tier erst mal aufgespürt, klettern die Menschen auf den Baum und pflücken die Loris einfach herunter. „Auf den Märkten in Vietnam, Sumatra oder Thailand werden sie wie eine Ware gehandelt“, sagt Klös. „Bald sind sie deshalb vom Aussterben bedroht.“

Auf Youtube gibt es millionenfach aufgerufene Videos, wie die Tiere nach Essen greifen, sich von Menschen kraulen lassen oder an der Gardinenstange baumeln. Zu diesem Zeitpunkt haben die zu Hunderten gefangenen Plumploris bereits eine Tortur hinter sich. Auf dem Schwarzmarkt verkaufen die Händler sie erst weiter, wenn sie ihnen die giftigen Eckzähne gezogen haben, mit denen die Tiere ihre Beute lähmen. „Die Wissenschaft ist sich gar nicht sicher, ob sie für den Menschen giftig sind“, sagt Klös. Die Händler knipsen ihnen trotzdem die Zähne ab – oft mit einer rostigen Zange. Die Wunde kann sich dabei entzünden und das Tier verenden.

Auch in Europa werden trotz eines strengen Einfuhrverbotes Loris immer öfter in Zoll und Privatwohnung entdeckt. „Der Plumplori versteckt sich instinktiv, er flüchtet nicht“, sagt Klös, „Man kann ihn ohne Probleme in der Jackentasche durch Sicherheitscheck und Zoll schmuggeln.“

PLUMPLORI IM ZOO

Lebenserwartung:  25 Jahre

Besonderheit: Nur der Augsburger Zoo hält in Deutschland noch die Tiere.

Interessanter Nachbar: Erdferkel, Jaguarundi, Springhase

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