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Der Spitzenkandidat der AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, nach der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse zu den Landtagswahlen.

© dpa

Mecklenburg-Vorpommern: Die AfD hat den Mehrblick

Leif-Erik Holm wollte eigentlich nie Politiker werden. Nun hat er es mit der AfD in den Landtag geschafft. Und Parteichefin Petry träumt schon vom Bund.

Still liegt der Schweriner See da und der Regen wird langsam weniger, als am frühen Abend die Alternative für Deutschland auf der Uferseite gegenüber des Schlosses einen historischen Sieg feiert. Wollte man der AfD Romantik unterstellen, dann war das ausgewählte Restaurant weit ab vom Stadtzentrum der schönste Wahlparty-Ort aller Parteien. Allerdings galt der Wirt des Segelklub-Restaurants auch als der Einzige, bei dem die Partei sicher sein konnte, dass er die Wahlparty stattfinden lässt.

Draußen sind Stühle und eine Art Strandbar aufgebaut, so dass das Ambiente eher an eine hippe Bar in Berlin erinnert. Dahinter drängeln sich im Zelt ein paar hundert Anhänger, und pünktlich um 18 Uhr hat sich auch die Bundesprominenz ganz vorne im Zelt bei der Leinwand eingefunden. Als das Ergebnis feststeht, wird selbstverständlich laut gejubelt. Einige Mitglieder brüllen sogar so laut, dass die Europaabgeordnete Beatrix von Storch pikiert das Gesicht verzieht. Erst als ihr bewusst wird, dass ja da viele Kameras stehen, lächelt sie gequält.

Leif-Erik Holm, 45 Jahre, der Spitzenkandidat, steht direkt neben ihr. Bis vor kurzem war er ja noch Mitarbeiter in ihrem Berliner Büro. Jetzt freut er sich – wenn auch nicht gerade ausgelassen. Offenbar war der Hype um die AfD so groß, dass Holm tatsächlich dachte, er könne am Ende sogar noch der SPD gefährlich werden. Holm, grauer Anzug, blauer Schlips zum weißen Hemd, kippt seinen Sekt hinunter und steigt draußen auf ein Podium mit Regenschutz. Dort verkündet er: „Vielleicht ist dieser Tag ja der Anfang des Endes der Kanzlerschaft von Angela Merkel.“ Jubel brandet auf, und die Funktionäre am Rande nicken, denn jeder hier denkt schon an die Bundestagswahl 2017.

Berlin wird der wahre Test für die Bundestagswahl

Allerdings jeder auf seine Art und Weise. Björn Höcke beispielsweise, der Landeschef aus Thüringen, sieht die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ähnlich wie Holm als „deutliches Zeichen, dass Angela Merkel abgewählt werden soll“. Und dass es nun Zeit sei auch im Bundestag für eine „konservativ-patriotische Partei“, wie es Höcke ausdrückt. Berlins Spitzenkandidat Georg Pazderski wiederum ist vorsichtiger. Mecklenburg-Vorpommern sei mit dem Bund nicht zu vergleichen, deshalb sei die Wahl in Berlin „der eigentliche Test für die Bundestagswahl“. Schließlich sei die Wählerschaft in Berlin so heterogen wie eben auch im Bund.

Alexander Gauland, 75, Parteivize und Chef in Brandenburg, steht auch im AfD-Zelt und bemüht sich um Sachlichkeit. Er habe nichts auf die Prognosen gegeben, sei deshalb „sehr zufrieden“ mit dem Ergebnis, schließlich „sind wir vor der CDU gelandet. Das ist das Wichtigste und soll uns mal erst einer nachmachen.“ In der Tat steckt in diesem Resultat die eigentliche Botschaft und Genugtuung, vor allem für das ehemalige CDU-Mitglied Gauland. Einst hat er sich von Merkel fortgejagt gefühlt, weil sein konservativer Berliner Kreis keine Chance in der CDU haben sollte. Gauland gehört zu den Leuten, die immer fanden, dass Merkel einen Fehler macht, wenn sie sich nur an der Mitte orientiert. Leif-Erik Holm, der eigentlich nie in die Politik wollte, hat nun geschafft, was sich Gauland erträumte: Er hat der CDU richtig wehgetan.

Holm hält die AfD für stigmatisiert

Doch es stecken nur Parolen, keine intellektuelle, konservative Brillanz hinter dem Erfolg. Holm, der zunächst als Radiomoderator arbeitete, ehe er Wirtschaft studierte, versuchte die AfD in die Tradition der späten DDR-Bürgerrechtsbewegung zu stellen. Immer wieder betonte er auf Veranstaltungen, dass „wir Ossis genau wissen, wann unsere Freiheit eingeschränkt werden soll“, er wetterte gegen die neuen „Blockparteien“ und bezeichnete die Kanzlerin manchmal als Staatsratsvorsitzende. Die AfD, so Holms Argument, werde von den etablierten Parteien „stigmatisiert“. Das reichte, um aus dem Stand von null auf 21,5 Prozent zu kommen. Dennoch ist die Stimmung am Wahlabend etwas gedrückt. Vielleicht, weil nun alle wissen, dass die Arbeit jetzt erst richtig anfängt. Im Landtag muss die Fraktion funktionieren. Das erwartet die Bundesspitze.

Während Holm noch im Segelklub steht, sprintet Bundeschefin Frauke Petry schon durch die Fernsehstudios. Man wolle nun in Schwerin „gute Oppositionsarbeit“ leisten und keine Fundamentalopposition sein, sagt sie. Petry gehört ohnehin zu jenen, die langfristig Verantwortung übernehmen wollen. Natürlich im Bund. Sie hat einen Plan: 2017 in den Bundestag, bis 2021 etablieren und dann – mitregieren. Irgendwo am Rande der Feiernden steht am späteren Abend noch immer Alexander Gauland, grünes Sakko, grüne Krawatte. Über Petry mag er nicht sprechen, aber einen eigenen AfD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl halte er für „Quatsch“. Der alte Herr warnt seine Partei: „In einem Jahr kann noch sehr viel passieren.“

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