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Israelische Stipendiatin in Berlin: Noa (Neta Riskin) arbeitet an einem „Wörterbuch für unübersetzbare Wörter“.

© rbb/Johannes Praus

FilmDebüt im Ersten: Berlin, Israel

Sinnliches Vergnügen und ein ganz besonderes Wörterbuch: „Anderswo“, der Debütfilm von Ester Amrami in der FilmDebüt-Reihe im Ersten.

Noa (Neta Riskin), israelische Stipendiatin in Berlin, arbeitet an einem „Wörterbuch für unübersetzbare Wörter“. Ihre schöne, paradox anmutende Idee wird jedoch als Forschungsprojekt abgelehnt. Außerdem drängt ihr Freund Jörg (Golo Euler), ein Musiker, auf einen Umzug nach Stuttgart. Was sich Noa schon mal gar nicht vorstellen kann. Der etwas ausgelutschte Insider-Witz für alle Berliner mit Schwaben-Phobie fällt hier nicht groß ins Gewicht, der Handlungsort wechselt schnell vom grauen Deutschland ins lichtdurchflutete Israel.

Die zweifelnde, verunsicherte Noa flieht in die Heimat und in den Schoß ihrer „durchgeknallten Familie“, wie sie selbst sagt. Ein paar Tage später reist ihr Jörg hinterher und platzt überraschend hinein in den lauten, streitlustigen israelischen Alltag.

Die in Israel geborene Ester Amrami legte mit ihrem Langfilm-Debüt „Anderswo“ ihren Abschlussfilm fürs Regie-Studium an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) vor und erhielt verschiedene Nachwuchspreise. 2014 lief der Film auch in der Berlinale-Reihe „Perspektive Deutsches Kino“.

Die Kinokoproduktion unter Beteiligung von RBB und MDR, einer der Höhepunkte in der FilmDebüt-Reihe im Ersten, erzählt zwar im Speziellen von einer Familie in Israel, doch die universellen Fragen verlieren Amrami sowie ihr Mann und Ko-Autor Momme Peters nie aus den Augen. „In welcher Sprache fühlst du dich zu Hause?“, fragt Noa ihre Oma Henja (Hana River), deren Familie von den Nationalsozialisten ermordet wurde und deren Sohn im Krieg gefallen ist.

Die fragile, sensible Noa zweifelt grundsätzlich

Die Protagonisten verständigen sich auf Deutsch, Englisch, Hebräisch, ein bisschen Jiddisch. Die Sprache ist Heimat und Mittel der Ausgrenzung. In ihr manifestiert sich das Gefühl, fremd zu sein und die Sehnsucht anzukommen. Die besondere Qualität des Films ist, sich mit dem abstrakten Thema Kommunikation erzählerisch leicht und zugleich intellektuell anregend auseinanderzusetzen. Die fragile, sensible Noa zweifelt grundsätzlich: „Man kann nichts übersetzen, nichts, nicht Bett, nicht Wand, nicht Haus, nicht Eltern, nicht Liebe.“

„Anderswo“ ist ein anspruchsvolles, sinnliches Vergnügen. Das israelische Familienleben hat Pfeffer und Witz, es wird fortwährend gegessen und diskutiert. Anstrengend ist es auch, weil man die Untertitel manchmal gar nicht so schnell lesen kann, wie hier in hebräischen Dialogen aufs Tempo gedrückt wird. Die Kamera sorgt für einen authentisch wirkenden Alltags-Look, dann wieder schwelgen die Bilder in den sommerlichen Farben Israels. Neta Riskin spielt Noas Suche nach Halt und Heimat differenziert, launisch, zornig, stark, zärtlich, leise, unsicher. Eine bemerkenswerte Partie der israelischen Schauspielerin. Ungewöhnlich und interessant ist der Einfall, die Handlung durch sieben kurze linguistische Exkurse zu unterbrechen. Sieben Schriftsteller, Schauspieler, Regisseure oder Komponisten erläutern auf Deutsch jeweils einen Begriff ihrer Muttersprache, den sie für nicht übersetzbar halten: Das „Wörterbuch für unübersetzbare Wörter“ ist wirklich keine schlechte Idee.

„Anderswo“; ARD, Dienstag, 23 Uhr 30

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