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Medien: „Die Serie hat das Berlin-Bild mitgeprägt“

„Lolle“-Autor Safier sagt, dass Plots, die ihn interessieren, nur in Berlin spielen können – oder in Bochum

Berlin, Berlin, Herr Safier – das gilt aber nicht für Sie.

Wieso?

Sie wohnen in Bremen.

Da fühl’ ich mich auch sehr wohl. Ehrlich gesagt, Berlin ist mir eher unheimlich. Schwer, hier Freunde zu finden.

Gute Voraussetzungen, um eine erfolgreiche Berlin-Serie zu schreiben.

Warum nicht? Wenn ich die Bücher für „Berlin, Berlin“ schreibe, benutze ich die Stadt eher als Projektionsfläche. Ich bin ein paar Tage im Jahr hier, bei Freunden. Aber ich habe für die Bücher nie eine bestimmte Szene-Kneipe im Auge, sondern schreibe nur „Kneipe 1“ oder „Straße 1“. Im Prinzip sehen die Locations am Prenzlauer Berg genauso wie am Bremer Ostertor aus. Wenn es zu inzestiös ist, kann es langweilig werden, auch für Berliner.

Keine Muffelköpfe, keine U-Bahn, Hinterhöfe, Hunde, Kreuzberger Altbauten, Kottbusser Tor, Potsdamer Platz, die ganze Berlin-Folklore, die man aus Filmen wie „Liebling Kreuzberg“ oder „Lola rennt“ kennt?

Nein, wir sind mit den Orten in „Berlin, Berlin“ relativ unkonkret. Die Stadt ist für uns mehr eine Metapher – für äußere Widerstände. Zuerst war da die Figur, Lolle, ein bestimmter, Lebensabschnitt, Beruf, Liebe, Leid, die Frage, was kommt jetzt? Dafür brauchen wir keine Szene, keine angesagten In-Spots. Außerdem können die sich sehr schnell ändern.

Trotzdem, „Berlin, Berlin“ ist auch in der vierten Staffel die gnadenlose, aufregende, harte Stadt, wo viele, bunte Lolles auf der Straße herumlaufen – an manchen Klischees kommen Sie auch als preisgekrönter Autor nicht vorbei.

Klar. In einer Folge wird „Lolle“ von Skinheads verfolgt, in einer anderen von Satanisten. Und als sie am Anfang der vierten Staffel nach Stuttgart geht, ist das dort natürlich ziemlich spießig, erwartungsgemäß, quasi „Stuttgart, Stuttgart“. Wir spielen mit diesen Städte-Klischees, überspitzen sie auch, augenzwinkernd.

In Berlin müssten sie überall freien Eintritt haben.

Wieso, von wem?

Von der Berlin Tourismus Marketing. So sympathisch, wie die Stadt in Ihrer Fernsehserie herüberkommt. „Berlin, Berlin“ hat den begehrten Fernsehpreis Emmy gewonnen. Mehr Werbung, bessere Imageprägung geht nicht.

Wenn hier jemand frei herumfährt, dann Felicitas Woll, die Hauptdarstellerin. Als Autor wirst du da nicht bedacht. Aber ich glaube schon, dass wir mit der Serie das Berlin-Bild einer jungen Generation mit geprägt haben, bei über zwei Millionen Zuschauern im Schnitt. In den Internet- Foren zur Serie lese ich von 17-, 18-Jährigen: „Berlin! Da will ich auch hin!“

Zurzeit versucht sich ja auch Sat 1 an diesem Trend…

…mit der Telenovela „Verliebt in Berlin“, ja. Ich glaube aber nicht unbedingt, dass der Name eine Stadt im Titel etwas ist, was ankommt. Als wir vor vier Jahren die Idee zu dieser Serie mit der Lolle hatten, einem Landei, das in die Großstadt geht, da gab es für 20 Sekunden die Diskussion, das Ganze in den neuen Bundesländern spielen zu lassen. „Erfurt, Erfurt“, das klingt doch nicht so gut. Diese Qualität hat in Deutschland nur Berlin, mit seiner Weitläufigkeit, seiner Weltoffenheit, seinem Chaos, vergleichbar mit New York. Hier können Sachen passieren, die nirgendwo anders passieren können. Hier kann ich als Autor Typen auflaufen lassen, die ich nicht groß weiter erklären muss. Wer weiß, ob das „Kanzleramt“, die nächste, große Berlin-Serie, in Bonn hätte spielen können.

Was fällt Ihnen imagemäßig zu Köln ein, als TV-Serie?

Gaby Köster, Ritas Welt, immer gute Laune.

Zu München?

Weniger wild zu schreiben. Bajuwarische Gemütlichkeit. Bürgerliches, etwas verklemmt, etwas eng. „Derrick“.

Hamburg?

Find’ ich persönlich kühl, sehr kühl. Zu all diesen Städten fehlen mir einfach die Fantasien. Da müsste man was komplett Konträres erfinden. Einen Nörgler in Köln zum Beispiel, das wär gut.

Heute startet die endgültig letzte, vierte Staffel. Was kommt nach „Berlin, Berlin“?

Vielleicht Duisburg oder Bochum. Diese Städte reizen mich, das ist noch nicht so abgenudelt. Da fällt mir was zu ein. Oder mal eine Insel. Zunächst sitze ich aber für die ARD am Nachfolgeformat von „Berlin, Berlin“. Arbeitstitel: „Liebe, Liebe".

Wieder eine Berlin-Serie, wieder Hauptfiguren eng mit der Stadt verknüpft?

Ja, aber für eine andere Zielgruppe.

Wieso gibt es aus Deutschland eigentlich so wenig gute, profilierte Serien mit Tempo und intelligentem Humor wie in den USA mit „Buffy“, „Lost“ oder „Six Feet Under“?

Weil wir hier so wenig Autoren haben, die eine Serie im Ton unverwechselbar machen, die eine starke Vision, eine starke Handschrift haben. Das Casting alleine kann es nicht sein. Denken Sie an „Derrick“ oder „Lindenstraße“. An diese Serien erinnern wir uns auch nach Jahren, an die Fernsehspiele, die damals liefen, erinnert sich niemand mehr. Die Serie ist die Königsdisziplin, hier kann man über lange Jahre Emotionen beim Zuschauer erzeugen.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg

David Safier, 38, ist seit 1996 Drehbuchautor („Nikola“,

„Die Camper“). Für die Serie „Berlin, Berlin“, die ab Dienstag in die letzte Staffel geht, bekam er den Grimme-Preis.

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