zum Hauptinhalt
Trauma. Seeler (Matthias Koeberlin) findet die verletzte Tascha (Emily Cox).

© dpa

Matthias Koeberlin als TV-Detektiv: Ein Krimi will mehr sein

TV-Veredler Johannes Fabrick macht aus dem zweiten „Hartwig Seeler“ eine Seelenerkundung.

Beim TV-Titel mit dem Namen Seeler denkt der Fußballfan an „Uns Uwe“. Dem Krimiconnaisseur fällt das Gesicht des Schauspielers Matthias Koeberlin ein: In der Rolle eines Privatdetektivs blickt da einer ganz unforsch und erschrocken in Abgründe. Ein Sensibler wandelt durch viel Schatten. Überall, Rätsel, besonders, wenn Frauen dabei sind.

Gleich mit der ersten Folge der von der Degeto in Auftrag gegebenen Reihe fiel Grimme-Preisträger Johannes Fabrick damit auf, dass ihn in dieser Detektiv-sucht-verschollene-Tochter-Geschichte Seelenerkundung mehr interessiert als der übliche Ermittlungskram. Nach dem rätselhaften Tod seiner Frau hatte Seeler den Polizeidienst quittiert und im Auftrag eines Vaters dessen Tochter gesucht . Während dieser Recherche hatte Seeler Kontakt mit seiner toten Frau. Man merkt: Ein Krimi will mehr sein als bloßer Krimi.

Die zweite Seeler-Folge fischt ebenfalls im Drüben. Seine verstorbene Frau spricht: „Auch wenn ich nicht real bin, kann ich auch sehr wirklich sein.“ Die Ansage aus dem Jenseits aber überrascht im Grunde den Detektiv so wenig wie das Publikum. Die neue Geschichte ist zu dem Zeitpunkt dabei, das Genre mit seinen irdischen Beschränkungen zu verlassen. Es geht nicht mehr um polizeilich relevante Wahrheiten, sondern um seelische Verirrungen („Hartwig Seeler – Ein neues Leben“, Samstag, ARD, 20 Uhr 15).

Der Reihe nach: Die Ex-Kollegin Tascha (Emily Cox) aus der Zeit, als Hartwig noch Polizist war, hat ihn damit beauftragt, ihr beim Untertauchen in ein neues Leben zu helfen. Schwerverbrecher Gerald Metzner (Maximilian Brauer) ist aus der Haft entlassen worden. Tascha war seinerzeit von Metzner im Opferaustausch als unbewaffnete Geisel genommen worden.

Ein Trauma ergreift nicht nur die betroffene Frau, die ganze Geschichte entgleist. Kriminalistische Gewissheiten werden unsicher. Rollen geraten durcheinander. Eine Bedrohungslage durch einen geheimnisvollen, allmächtigen Gegner – durch die aktuelle Seuche sind solchen Gefühlslagen niemand mehr fremd.

In München wohnt die Angst gequälte Tascha im Gartenhäuschen

Fabricks Film buchstabiert den Schrecken Szene für Szene durch. Tascha offenbart die seelischen Spuren ihrer Vergewaltigung einem anderen Menschen gegenüber und zeigt ihm die übermenschlichen Anstrengungen, die sie durch ihre Verheimlichungsstrategie auf sich genommen hat. Zuzugeben, ein Opfer zu sein, bedeutet für die Frau eine Katastrophe. Diese Haltung einer rücksichtslosen Selbsthilfeverweigerung führte bei Tascha zu einer monströsen Isolation.

Die Kamera von Helmut Pirnat fördert eindrucksvoll, was Fabrick mit der Tragödie des Blindwerdens durch Scham, die sich fast zu Tode schämt, zeigen will: die Desorientierung eines traumatisierten Menschen. Allein die Behausungen, die ins Bild gesetzt werden, sprechen eindringlich: In München wohnt die Angst gequälte Tascha in einem Gartenhäuschen, wie es sich die Phantasie für die Aktion eines Vergewaltigers ausmalt. Auf der Insel Gozo bei Malta bewohnen Tascha und ihr Aufpasser Seeler einen absurden Ferienhauswürfel, der wie ein Miniknast mit Meerblick aussieht.

Ja, die Geschichte mit dem drohenden Rächer stimmt nicht so, wie sie Tascha erzählt. Das ist eigentlich gleichgültig. Die Leistung des Regisseurs und seiner Hauptdarstellerin Cox besteht im Zelebrieren der Tiefenkräfte, die eine Tat bestimmen. Diese Frau kann sich nicht entkommen. Die Prägung durch eine lieblose Familie, über die Taschas Großmutter Auskunft gibt, der absurde Plan des entlassenen Verbrechers, als Geläuterter sein traumatisiertes Opfer um Verzeihung zu bitten oder das für eine Polizistin verhängnisvolle Verhalten, befördern den Eindruck, hier siege ein unbesiegbares Schicksal. Seeler schaut fassungslos. Aber dann...

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false