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Ein Gigolo in seinem Element. Peter Nemela ist ein hervorragender Tänzer und charmanter Gesellschafter, auf Kreuzfahrtschiffen.

© ZDF und Janis Mazuch

ZDF-Film über Gigolos: Eintänzer des Glücks

Sehnsüchte im Alter: Der Dokumentarfilm „Die letzten Gigolos“ erzählt von galanten Herren, alleinstehenden Damen und den Gründen des Reisens.

Abends auf dem Kreuzfahrtschiff beginnt die Arbeitszeit der „Gentleman Hosts“. Peter Nemela und Heinz Löffelbein, zwei große, schlanke Herren jenseits der 70, machen sich in der Kabine schick, rasieren sich, wählen die Krawatte aus, dazu ein farblich passendes Einstecktuch. Der Anzug sitzt perfekt, ein gepflegtes Aussehen gehört unbedingt dazu. „Meine erste Hauptaufgabe ist es, Kavalier zu sein“, sagt Nemela, dessen Frau vor einigen Jahren gestorben ist.

Er spricht von „schwerer Arbeit“, aber auch davon, plötzlich wieder Achtung zu erfahren. Die beiden Herren haben auf dem Schiff die Aufgabe, den alleinreisenden Damen ein galanter Begleiter zu sein. „Meine Pflicht ist, mit jeder Dame zu tanzen“ und dabei „einen Moment des Glücks zu vermitteln“, sagt Löffelbein, der früher Manager war und dessen Ehe zerbrach.

„Die letzten Gigolos“ hat Stephan Bergmann seinen Dokumentarfilm genannt, Bezug nehmend auf ein Gespräch zwischen den beiden Männern, die an dem Begriff nichts Anrüchiges finden können. Sie scheinen Gesellschaft und Anerkennung nicht weniger zu brauchen als die Frauen, die sie zum Tanzen auffordern. Die älteren, oft verwitweten Damen wollen ein bisschen Nähe, vielleicht einen Flirt genießen – mit Männern, die etwas von Komplimenten und vom Abstandhalten verstehen.

Es muss aber nicht bei flüchtigen Begegnungen bleiben: Zwischen den „Gigolos“ sowie der kommunikativen Babsi, die mit ihrem verstorbenen Mann zahlreiche Kreuzfahrten unternommen hatte, und der jüngeren Barbara, die sich zwei Wochen im Jahr „ein Stück Freiheit“ als Teilzeit-Single gönnt, entwickelt sich ein freundschaftlicher Kontakt.

In Zeitlupen scheint das Leben an Deck wie eingefroren

Die kitschig ausgestattete, halbleere Tanzbar ist eine ziemlich traurige Kulisse und das Rollenspiel hoffnungslos altmodisch. Aber auch wem Standardtänze eher suspekt sind, dem wird nicht verborgen bleiben, wie sich hier Menschen behutsam näher kommen, wie mit Optimismus und Lebensfreude das Alleinsein bekämpft wird. Die eindrucksvolle Kamera von Janis Mazuch beobachtet anerkennend die sorgfältigen Vorbereitungen, die Bewegungen und Tanzschritte.

Aber die ruhig komponierten Bilder öffnen auch einen eigenwilligen Blick auf diese besondere Form des Reisens. In den Zeitlupen scheint das Leben an Deck wie eingefroren, eine schicke Welt zwischen Luxus und Langeweile. Kommentarlos nimmt uns der Autor auch mit unter Deck, in den Maschinenraum oder in die Küche, zeigt die asiatischen Stewardessen beim Deutsch lernen oder das Schiffspersonal beim Ausbessern des Pools, während um sie herum Cocktails geschlürft werden. Ohne moralinsaure Belehrung und mit einer Prise Humor erzählen uns die Bilder, wie hier Welten aufeinander prallen.

Das Schiff ist eine Insel für sich, es fährt über den Atlantik, aber die Welt draußen scheint zu den Reisenden kaum vorzudringen. Nur einmal sieht man Babsi am Strand von Gambia, wie sie beim Handeln mit einer Einheimischen den Preis für ein Tuch unfreiwillig auf den dreifachen Preis hochtreibt, weil sie US-Dollar mit der gambischen Währung verwechselt. Man nimmt Sonnenbäder, und abends kreist alles um die Bar, ums Flirten, ums Tanzen, ums Glück. Warum reisen wir also? „Wenn man zu Hause rumsitzt, stirbt man auch früher“, sagt Peter Nemela.

„Die letzten Gigolos“, das Langfilm-Debüt des an der Kölner Kunsthochschule für Medien ausgebildeten Österreichers Bergmann, ist ein zärtlicher, respektvoller Film über die Sehnsüchte im Alter.

„Die letzten Gigolos“, Montag, ZDF, 23 Uhr 55

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