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ARD-Komödie mit Jürgen Prochnow: Heimholung eines Unnahbaren

Etwas klein für einen großen Star wie Jürgen Prochnow, aber trotzdem fein: Das ARD-Roadmovie „Der Alte und die Nervensäge“.

Er ging auf Tauchfahrt in die deutsche Nachkriegsseele. Der Schauspieler Jürgen Prochnow, 79, beherrschte als Kommandant des deutschen Unterseebootes U-96, ehrfürchtig von den Untergebenen „Herr Kaleun“ genannt, eines der erfolgreichsten deutschen Filmereignisse: das nach dem Roman von Lothar Günther Buchheim von Wolfgang Petersen verfilmte Kriegswerk „Das Boot“, spannende Stunden im Kino und vor dem Bildschirm.

Prochnow gelang das Kunststück, in einer moralisch entgleisten Zeit so etwas wie betäubende Autorität auszustrahlen, den Wahnsinn des U-Boot-Krieges zu verdrängen und aus Schuld Abenteuer und Kameradschaft zu machen. Ein erfolgreicher Ritt auf der Rasierklinge.

An die hundert Filme – darunter viel zu wenige Komödien, wie Prochnow findet – und 40 Jahre erfolgreiches Schauspielerleben später sehen wir den Unterwassermann „Kaleun“ auf dem Trockenen. In der Welt der Degeto mit ihren Familienproblemen: mit einem sich zu kurz gekommen fühlenden Sohn (David Rott), einer überfürsorglichen Tochter (Katja Studt), nicht genommenen Blutdrucksenkern, dem 75. Geburtstag vor der Tür und dann dieser Sehnsucht eines Witwers nach seiner gestorbenen Frau Hedi und dem Alpengipfel, wo das Paar glücklich war.

[„Der Alte und die Nervensäge“, ARD, Freitag, 20 Uhr 15]

Prochnow ist ein gut aussehender alter Mann, ein Mittsiebziger-Beau, eine alerte Erscheinung. Er versteht sich noch immer auf die Kunst, sich durch seine Schroffheit die Familie vom Leib zu halten, wie er es einst mit den Torpedos tat. Ein Darsteller, der immer irgendwie auf dem Sprung zu sein scheint, nicht mehr der Jüngste, aber allergisch gegen Festlegungen, ein allzeit Fluchtbereiter. Es ist heute nicht U-96, das in der Garage wartet, aber dafür der himmelblaue Oldtimerbus „Wölkchen“, dieser uralte Ford Transit, zum Campingmobil umgebaut, mit Hedi-Fotos vollgekleistert – dieser Chance, auf Kaperfahrt zu gehen und die alten Sehnsuchtsorte aufzusuchen.

Wem die Stunde schlägt

Wilhelm Schürmann, ihn spielt Prochnow, schlägt die Stunde. Dauernd klingelnde Paketboten, dieser Fluch für nutzlose alte Menschen, verursachen beim Witwer schmerzhafte Unterbrechungen der Sehnsuchtsarbeit mit Hedi-Erinnerungen und einen Kreislaufzusammenbruch, der die Tochterglucke auf den Plan ruft. Es drohen lebenslanger Behütungsknast, ewiger Abschied von „Wölkchen“ (Fahrverbot) und Geburtstagsterror, solange es eben geht.

Wilhelm flieht aus dem Krankenhaus. Das Roadmovie startet. Prochnows Figur gelingt die Flucht im „Wölkchen“, allerdings um den Preis, dass sich dem Unnahbaren ein Unabschüttelbarer anschließt: Felix (Marinus Hohmann) heißt die Krawallnudel. Der junge Mann ist auch auf der Flucht. Wie sich zeigen wird vor dem ungeliebten Vater und der nach den Eheerfahrungen eingeschüchterten Mutter Ines Bock (Karolina Lodyga). Da sitzen sie nun in Wölkchen Sieben, der Alte und der junge Ausreißer, Kaleun und die Nervensäge, und müssen miteinander auskommen. Wilhelm muss sich von Felix Willi nennen lassen, einen Tankdiebstahl hinnehmen. Umgekehrt erträgt der junge Mann die Zurückweisungen des Alten.

Die TV-Debütantinnen (Buch: Nadine Schweigardt, Regie: Uljana Havemann) und der Kameramann Mathias Prause (mit erlesenen Landschaftsaufnahmen) geben den Raum nur für leise Töne frei. Nicht für Sentimentalität, nicht für Illusionen, Alt und Jung könnten ihre Distanz im Namen eines Neohippietums überwinden.

Man sieht vielmehr zu, wie sich zwei achten lernen. Wollte wer mehr?

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