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Linda Zervakis.

© dpa/Georg Wendt

Linda Zervakis und ihr Interview mit Scholz: Hat sich das Kanzleramt unkritische Fragen eingekauft?

1.130,50 Euro hat das Kanzleramt der Pro7-Journalistin Linda Zervakis für ein Interview mit Kanzler Scholz auf der Republica überwiesen. Von einem Honorar will es aber nichts wissen.

Honorar? Kostenpauschale? Unstrittig ist, dass die Pro7-Journalistin Linda Zervakis vom Bundeskanzleramt für ein Interview mit Olaf Scholz auf der Republica 2022 bezahlt wurde. Ein Regierungssprecher bestätigte der „taz“, dass das Kanzleramt Zervakis für das halbstündige Gespräch ausgesucht und danach 1.130,50 Euro brutto überwiesen hat.

Der Sprecher sagte der Zeitung, es handle sich nicht um ein Honorar, sondern um eine „Kostenpauschale“. Welche Kosten damit gedeckt werden sollten, ist laut „taz“ jedoch unklar.

Unkritische Fragen eingekauft?

Der Unterschied ist wesentlich. Wäre der Betrag ein Honorar, stünde Linda Zervakis im Verdacht, sie habe sich für wenig kritische Fragen an den Kanzler einkaufen lassen. Eine Kostenpauschale könnte als Aufwandsentschädigung verstanden werden, also als Begleichung aller Kosten, die der Journalistin für Vorbereitung, An- und Abreise nach und von Berlin entstanden wäre. Fakt ist, dass der Privatsender die Zugfahrt bezahlt hat.

Wie die „taz“ weiter berichtet, habe Pro7 der Zeitung mitgeteilt, dass der Sender kein Problem mit dem Interview habe, sie habe dafür ja kein Honorar bekommen. „Ein solches Interview ist mit unseren journalistischen Werten sehr gut zu vereinbaren“, sagte ein Sprecher. Auf die Nachfrage, ob das auch bei einer hohen „Kostenpauschale“ gelte, sei keine direkte Antwort gekommen, so die „taz“.

Gute Stimmung bei der Republica 2022: Kanzler Scholz lässt sich von Linda Zervakis interviewen.

© Reuters/Annegret Hilse

Der Sprecher machte aber deutlich, dass der Sender in der intransparenten PR-Moderation kein Problem sehe. Zervakis wollte übrigens zwischenzeitlich gegen die Berichterstattung juristisch vorgehen, unterließ es dann aber. Die Erfolgsaussichten erschienen offensichtlich zu gering zu sein.

Im Organisationsteam der Republica war kontrovers diskutiert, ob man sich auf den Deal einlassen sollte: Der Kanzler kommt, dafür darf er sich seine Moderatorin selbst aussuchen? So kam es und die Veranstaltung hatte ihren Olaf-Scholz-Adel.

Der Vorgang und seine Begleitumstände rufen natürlich auch im natürlichen Rund Interesse hervor. Die Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) haben eine Kleine Anfrage gestellt. Die Abgeordneten wollen demnach wissen, „ob das Bundeskanzleramt die Interviewpartnerin des Kanzlers ausgewählt hat, nach welchen Kriterien dies gegebenenfalls geschah und falls ja, weshalb die Regierung dies nicht ,transparent kommuniziert’ habe, sodass „der Anschein einer unabhängigen journalistischen Tätigkeit entstehen konnte“.

Gefragt wird zudem, ob die Bundesregierung, Ministerien oder Behörden seit Anfang 2022 Geld an die Journalistin gezahlt haben. Darüber hinaus will die Fraktion wissen, ob es in dieser und der vergangenen Wahlperiode Fälle gegeben habe, „in denen Journalisten als Interviewpartner des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin, von Bundesministerinnen oder Bundesministern ausgewählt und engagiert wurden“. Berechtigte Fragen.

Die hartnäckige „taz“-Recherche lässt erst mal nur Beschädigte zurück: das Kanzleramt, die Journalistin Linda Zervakis, der Privatsender Pro7, die Republica - und ein betrogenes Publikum.

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