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Verdächtig. Leitmayr (Udo Wachtveitl, li.) und Batic (Miro Nemec) vorm PC.

© Fotot: BR

"Tatort" München: Meine Sünde, meine Seele

Lassen Sie Ihre Kinder nicht alleine an die Isar! Der Münchner „Tatort“ variiert das „Lolita“-Thema.

Sommersonne auf weißem Kies, das Rauschen des smaragdgrünen Flusses, Studenten und Touristen halbnackt auf Picknickdecken, hin und wieder kommt oben auf der Brücke ein lächelnder Jogger vorbei, die Zeit in München steht still – Isarflimmern im Paradies. Dennoch oder gerade deswegen genießt die Isar unter Deutschlands Krimiautoren einen besonderen Ruf. Schon beim „Kommissar“ und bei „Derrick“ wurden junge Frauen bevorzugt und äußerst effektvoll in den Isarauen erschossen, von Dominik Grafs Krimis ganz zu schweigen. Wenn es nach dem neuem Münchner „Tatort“ geht, sollte man seine Kinder am besten gar nicht mehr an Deutschlands viertlängstem Fluss alleine lassen.

Und auch nicht am PC. An der Isar wird die Leiche des 14-jährigen Tim (Justus Schlingensiepen) gefunden. Der Junge wurde aus nächster Nähe mit einer Gaspistole erschossen, keine Anzeichen für Sexualmissbrauch. Als die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) Tims Computer unter die Lupe nehmen, tun sich Abgründe auf. Der Junge saß nicht ganztags vorm Bildschirm, um Apps zu entwickeln, wie seine Eltern glauben, er betrieb eine Website, auf der er sich für pädophile Männer auszog. Einer seiner Kunden ist der Familienvater und engagierte Fußballtrainer Guido Buchholtz (Maxim Mehmet), der nicht nur mit Tim, sondern auch mit dessen Freund Florian (Nino Böhlau) gechattet hat und schnell ins Visier der Ermittler gerät.

Macht Spaß, dem Ivo und dem Franz bei der Arbeit zuzuschauen

Batic und Leitmayr, seit 1991 ein Ermittlergespann, ist schon des Öfteren eine gewisse launige Routine nachgesagt worden. Vielleicht liegt es an den in den vergangenen Jahren wieder besser gewordenen Büchern (diesmal: Holger Joos), vielleicht an der biederen Abgründigkeit der Münchner sowie Münchner Naturschönheiten – unter den zahllosen „Tatort“-Teams macht es immer noch einen besonderen Reiz aus, dem Ivo und dem Franz bei der Arbeit zuzuschauen. Einer von beiden liegt bei der Verdächtigenhatz meistens falsch, der andere drückt ein Auge zu. Frotzeleien halt, die sich diesmal angesichts der Thematik – Internet-Chats, pädophile Männer – fast von alleine ergeben. Regisseur Andreas Senn inszeniert das Thema mit. Es ist viel Schaulust im Spiel, wenn die 14-jährige Hanna (Anna-Lena Klenke), Freundin von Tim und Florian, Leitmayr vorm Computer spärlich bekleidet vorführt, wie sich das so „anfühlt“, ein Internet-Chat mit einem fremden Mann.

Guter bis sehr guter Krimi, klasse Nachwuchsdarsteller. Showdown und Auflösung des Falles nahen, na, wo schon? An der Isar. Der Kommentar von Batic und Leitmayr zum besonders heiklen Fall: „Anderswo wird Literatur draus, verstehst du. Lolita!“ Markus Ehrenberg

„Tatort: Das verkaufte Lächeln“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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