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Ein Porno-Stream im Blick.

© dpa

Porno-Stream: Nach den Abmahnungen: Was muss beachtet werden?

Du bist nicht allein. Immer mehr Internetnutzer sind von Porno-Stream-Abmahnungen betroffen. Noch scheinen die Video-Gucker auf der sicheren Seite.

Die Welle an Abmahnungen wegen des Abrufs eines Porno-Streams im Web nimmt in diesen Tagen immer größere Ausmaße an. Schätzungen von Anwälten zufolge sind mehrere zehntausend Internetnutzer betroffen. Der Mainzer Anwalt Tobias Röttger nannte die Massenabmahnung „die größte mir bekannte Abmahnwelle auf einen Schlag“. Die Internetnutzer waren in der vergangenen Woche abgemahnt wurden, weil sie angeblich Sexfilmchen auf der Seite Redtube.com geschaut hatten, welche urheberrechtlich geschützt sein sollen. Sie wurden aufgefordert, 250 Euro zu bezahlen und schriftlich zu versichern, das Vergehen nicht noch einmal zu begehen.

Ob nun Redtube oder Youporn – die Angelegenheit wirft nicht nur die Frage auf, wie man überhaupt auf solche Abmahnschreiben zu reagieren hat, sondern auch die, ob das Gucken von Streaming-Filmen – also das vorübergehende Puffering am PC – denn nun wirklich schon einem Download – das dauerhafte Herunterladen von Daten auf die Festplatte – gleichkommt. Streamingschauen könnte in dieser Logik unter Generalverdacht stehen, auch via Youtube oder einem x-beliebigen Nachrichtenportal mit seinen zahlreichen, scheinbar harmlosen Bewegtbildern. Man würde im Zweifelsfall ja nicht sofort erkennen, ob das jeweilige Video rechtmäßig eingestellt ist.

Handwerklich schlecht gemacht

Diese Tragweite dürfte die Abmahnwelle nicht haben. Die Abmahnungen zur Redtube-Nutzung sind in mehreren Punkten umstritten. Sie seien sogar handwerklich schlecht gemacht, sagt der Düsseldorfer Anwalt Michael Terhaag, der mehrere solcher Abmahn-Schreiben auf dem Tisch hat. Und selbst wenn die Vorwürfe stimmen, hätten die Nutzer die Filme nur im Browser abgerufen, anstatt sie auf einen Datenträger herunterzuladen. Bei Tauschbörsen, die beispielsweise auf der BitTorrent-Technologie aufsetzen, laden Nutzer dagegen Musik oder Filme herunter und stellen sie gleichzeitig anderen Nutzern zur Verfügung. Damit verbreiten sie die Inhalte weiter – eine Urheberrechtsverletzung. Das ist beim Streaming anders. Noch steht keine höchstrichterliche Entscheidung dagegen.

„Ich gehe nach wie vor davon aus, dass der reine Konsum von Filmen im Netz, ohne Download, urheberrechtlich nicht relevant ist“, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke, Experte in Sachen Internetrecht. „Manche Juristen meinen, dass hier eine sekundenlange Kopie im Arbeitsspeicher des Computers ausreicht, um eine Urheberrechtsverletzung zu begehen. Ich vertrete die Auffassung, dass diese Kopie dann legal ist, wenn die Plattform, auf der man den Film geschaut hat, nicht offensichtlich rechtswidrig ist.“ Offensichtliche Rechtswidrigkeit liege vor, wenn selbst „der Dümmste“ erkennen musste, dass die infrage stehenden Filme ohne Genehmigung des Rechteinhabers verbreitet worden sind. „Das war zum Beispiel bei Kino.to der Fall. Anders ist das jedoch bei Redtube.“

Diese Rechtssicherheit gelte dann auch für Youtube, dem Onlineportal, das täglich von Millionen Nutzern aufgesucht wird, um Streamings von Musikern, Amateuren oder gar ganze Filme anzuschauen. Die Youtube-Mutter Google ließ mitteilen, man kenne keine Details des vorliegenden Falls, wolle das nicht kommentieren. In der Regel gilt, dass Filmchen auf Youtube lizenziert, also rechtemäßig freigegeben sind, nachdem es einen jahrelangen Streit gegeben hatte. Hinweisen auf Verstöße muss Google nachkommen, das Video herunternehmen. Bis es soweit ist, kann sich der eine oder andere User natürlich schon mal mit dem Streamen dieser Videos beschäftigt haben. In der Logik der Abmahner wäre das ein Gesetzesverstoß.

Justiz hat sich vergaloppiert

Ein zu weites Feld. Offenbar hat sich in Sachen Redtube auch die Justiz vergaloppiert. In der Debatte um die jüngsten Abmahnungen, eine Regensburger Anwaltskanzlei hatte sie im Auftrag einer Schweizer Firma verschickt, geht es auch um Urteile des Landgerichts Köln. Richter in 16 unterschiedlichen Zivilkammern am Landgericht hatten im Juli und August in mehreren Beschlüssen die Deutsche Telekom und andere Internet-Provider dazu verpflichtet, die Identität der Anschlussinhaber zu zehntausenden IP-Adressen bekannt zu geben. Nun gehen etliche Juristen davon aus, dass die Richter in Köln dabei hinters Licht geführt wurden.

Die Anträge an das Landgericht hätten nicht deutlich gemacht, dass es um Internet-Streaming und nicht um Tauschbörsen gehe, sagen Anwälte. „Aus meiner Sicht sind diese Anträge sehr schwammig formuliert“, sagte der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke, dessen Kölner Kanzlei mehrere hundert der Abgemahnten betreut. Das Wort „Streaming“ falle in den Anträgen gar nicht. Außerdem sei unklar, wie die Rechteinhaber die Internetdaten der Nutzer erhoben haben.

So empfiehlt Solmecke denn auch, nicht auf diese Abmahnschreiben zu reagieren. „Der geforderte Betrag sollte auf keinem Fall gezahlt werden.“ Es sollte darüber hinaus auch keine Unterlassungserklärung abgegeben werden. Völlig unklar ist, ob der Nutzer in Zukunft noch einmal über diese Filmchen stolpern wird. Hat er eine Unterlassungserklärung abgegeben, kann das teuer werden. Letztlich sollte es ausreichen, wenn man der abmahnenden Kanzlei seine Rechtsauffassung mitteilt und sämtliche Zahlungen oder sonstige Forderungen verweigert. Dennoch, die Geschichte hat manchen Internetuser in Panik versetzt. Pornoplattformen wie Redtube.de oder YouPorn dürften deutlich weniger Besucher haben, zumal mit weiteren Abmahn-Aktionen zu rechnen ist, so unplausibel diese bei genauerem Hinsehen auch zu sein scheinen. Es ist ein ein sehr lohnendes Geschäft. „Zwischen zehn und 20 Prozent der Angemahnten zahlen, bei Pornoseiten dürften es deutlich mehr sein, allein aus Angst, entdeckt zu werden“, sagt Anwalt Terhaag.

Die Beliebtheit der Pornoseiten schwindet eh. Belegte YouPorn 2009 laut Branchendienst Alexa Rang 50 der weltweit am häufigsten abgerufenen Internetseiten, so ist es jetzt Rang 102. Redtube folgt zwei Plätze dahinter. In Deutschland liegen beide Seiten auf Rang 44 beziehungsweise 85. Einen großen Einbruch erlitten beide Angebote im Sommer letzten Jahres, vermutlich im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden eines Hackerangriffs auf die Manwin-Tochter Digital Playground. Allzu lange halten es die – laut Alexa fast ausschließlich männlichen – Nutzer sowieso nicht aus: Zwischen sechs und sieben Minuten dauert ein Seitenbesuch. Das kann natürlich reichen, um abgemahnt zu werden. Redtube hat reagiert. Alle angemahnten Titel waren zwei Tage nach Bekanntwerden der Abmahnwelle von der Plattform gelöscht. Ob Redtube ebenfalls eine Mahnung erhielt oder die Titel schon länger gelöscht waren, ist unklar. Der Betreiber der Seite, Manwin, äußert sich auf Anfrage des Tagesspiegels nicht zum Vorgang.

Unklar ist auch, ob Manwin selbst die IP-Adressen seiner Nutzer an das Landgericht weitergab. Manwin, mit Sitz in Luxemburg, gehört zu den größten Anbietern pornografischer Inhalte im Netz. Die Firma betreibt unter anderem die Erotikportale Brazzers und PornHu., 2011 wurde YouPorn gekauft, das als populärste Filmchensammlung im Netz galt und gilt. Allen Plattformen ist gemein, ihr Angebot aus privat hochgeladenen Amateurvideos mit Trailern und Teasern professioneller Pornofilme zu mischen.

Ein Sturm im Wasserglas also? Ja, solange es wohl kein Urteil gibt, das Streaming mit Download gleichsetzt. Viel unschöner ist der Nachgeschmack in Sachen Datenschutz. Wie kommt die Kanzlei überhaupt an die IP-Adressen derer, die bei Redtube gestreamt haben? „Selbst, wenn diese Auskunft rechtswidrig erteilt worden ist“, sagt Solmecke, „dürfen die Informationen in einem Zivilprozess verwendet werden.“ Für die Zukunft wäre es aber schon wünschenswert zu erfahren, wie die Ermittlung gelaufen ist. „Mir ist es schleierhaft, dass sich das Landgericht Köln dafür nicht näher interessiert hat, als es vermeintliche Auskunftsansprüche durchgewunken hat.“ Vielleicht muss man den Richtern mal erklären, was ein Videostream ist und was ein Download.

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