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TV-Talk: Sandra Maischberger und das "Feindbild Islam"

Geben deutsche Gerichte "Islamrabatte" an Straftäter? Wie passen Islam und Demokratie zusammen? Ist der Islam eine "faschistische" Religion? Über diese Fragen diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen. Ein entscheidendes Thema fehlte jedoch.

Sex sells, das war einmal. Islam verkauft sich inzwischen viel besser. Und so hat Sandra Maischberger am Dienstagabend vermutlich alles richtig gemacht, als sie sich sechs Gäste einlud, um wieder einmal wieder einmal eine reichliche Stunde lang das ewigheiße Eisen zu bearbeiten. Einzig der Titel der Talkrunde „Feindbild Islam“ war geeignet, Produktenttäuschung zu bewirken – denn darum, ob „der Hass geschürt werde“, ging es tatsächlich keine Minute.

Routiniert malte Maischberger eben dieses Feindbild ein weiteres Mal aus: „Islamrabatt“ oder warum im Falle eines „muslimischen Mörders“ der Richter keine besondere Schwere der Schuld sah, islamische Paralleljustiz, die angeblich 90 Prozent aller Delikte im angeblich eigenen Milieu der zuständigen weltlichen Gerichtsbarkeit entzieht. Und schließlich die Gretchenfrage der Bibel, ob man Gott oder den Menschen mehr gehorchen müsse. Dass sie in der deutschen Islamdebatte – nicht nur im Fernsehen – fast immer von Leuten gestellt wird, die in der Apostelgeschichte maximal unbewandert ist, macht auch die, die antworten sollen, von vornherein zu Verlierern.

„Was mich am meisten interessiert ist, ob Sie den Koran über das deutsche Gesetz stellen“, fragte Maischberger den Leipziger Imam Hassan Dabbagh. „Fangfragen“ knurrte der, „fragen Sie das doch den Papst.“ Fast fühlte man Mitleid mit dem kuriosen Kopftuchträger, der die Rolle des Steinzeitislamisten doch immer wieder so zuverlässig und fernsehtauglich spielt.

Streit um das Stichwort "islamischer Faschismus"

Nicht dass Maischbergers Menschen nicht ab und an einen anderen Punkt setzten, aber gegen die Dramaturgie und die, die davon profitierten, hatten sie naturgemäß wenig Chancen. Der Grüne Omid Nouripour fragte, ob es nicht eher Rassismus als „Islamrabatt“ sei, wenn ein Richter eine geprügelte marokkanische Ehefrau auf die Sitten ihres Herkunftslandes verweise. Er war kaum zu hören und die Moderatorin ließ die Frage ungenutzt. Als die Nahost- und Afghanistan-erfahrene Fernsehreporterin Antonia Rados zur Debatte um private Gerichtsbarkeit ansetzen wollte („sehr traditionell, hat wenig mit Religion zu tun“), schnitt ihr der Einspieler über Hamed Abdel-Samad das Wort ab. 

Dem Politologen, der gerade sein jüngstes Werk über „islamischen Faschismus“ vermarktet, war offensichtlich die Rolle des Platzhirsches zugedacht; Maischberger verstand sich eher als seine Stichwortgeberin („Wie geht es Ihnen jetzt?“ „Ist der Islam eine Bedrohung für Europa?“). Etwas länger und empfindlicher reagierte die Runde auf sein Stichwort „Faschismus“ - im deutschen Fernsehen wohl unausweichlich. Und eine offen absurde Behauptung von ihm löste fast einen kleinen Tumult aus: „Die Welt in Gläubige und Nichtgläubige aufzuteilen, machen nur Muslime.“ – da reagierte nicht nur die Islamwissenschaftlerin und Religionslehrerin Lamya Kaddor heftig, auch CDU-Innenpolitiker Bosbach schien diese Einteilung der Welt aus dem vertrauten Christentum nicht ganz unbekannt.

Gäste, die für Religion keinen Sinn haben

Der wiederum Kaddor zurechtwies, als sie Islam und Gewalt zwar nicht trennen wollte, aber erklärte, der Islam sei „die einzige Religion, die Gewalt immer kanalisiert und reglementiert habe“. Man sei sich doch wohl klar darüber, dass das Gewaltmonopol des Staates eine Errungenschaft sei. Ganz offenbar hatte Bosbach Kaddors kleinen Ausflug in die islamische Geistesgeschichte als Regieanweisung für heute missverstanden.

Der Leipziger Imam bekam eins über, weil Bosbach sein Bekenntnis zur Demokratie zu lau fand. Es sei eben „ein fundamentaler Unterschied“, ob man sie aus vollem Herzen oder taktisch bejahe. Da dürfte der Abgeordnete Bosbach etwas falsch verstanden haben: Es zeichnet den Rechtsstaat gerade aus, dass es ihm genug ist, wenn die Bürger die Gesetze befolgen. Ihnen in die Seele schauen sollte er nicht einmal wollen.

Aber auch dies setzte das Dilemma recht schön ins Szene: Wenn in Deutschland über den Islam geredet wird, dann mit Leuten, die für Religion keinen Sinn haben und die immer wieder bedenkliche Lücken aus dem Staatsbürgerkundeunterricht unter Beweis stellen. Das ist zwar lehrreich; dennoch würde man sich manchmal wünschen, dass das Thema ab und an von, sagen wir, einer Verfassungsrichterin im Ruhestand und einem entspannten katholischen Theologieprofessor bestritten würde. Und wundert sich, dass man sich an keine derartige Sendung erinnern kann.

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