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Demonstrieren gegen Lukaschenko.

© imago images/ITAR-TASS

Update

Sicherheit bei ARD und ZDF: Seit Donnerstag wurden mehr als 50 Medienschaffende in Belarus festgenommen

Heiko Maas kritisiert Vorgehen gegen Journalisten in Belarus. Die ARD zieht einen Korrespondenten ab.

Nach erneuten Festsetzungen von Medienvertretern in Belarus hat Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die autoritäre Staatsführung scharf kritisiert. „Wenn Journalistinnen und Journalisten willkürlich und ohne jede Rechtsgrundlage festgesetzt und durch den Entzug ihrer Arbeitserlaubnis an ihrer wichtigen Arbeit gehindert werden, dann ist das überhaupt nicht akzeptabel“, erklärte Maas am Samstagabend in Berlin. „Unabhängige Berichterstattung muss umfassend gewährleistet werden.“ Dazu habe sich Belarus auch international verpflichtet. Seit Donnerstag wurden in Belarus laut Reporter ohne Grenzen mehr als 50 Medienschaffende festgenommen, mehrere ausländische Journalisten ausgewiesen, mindestens 19 ihrer belarussischen Kollegen verloren ihre Akkreditierung und damit ihre journalistische Arbeitserlaubnis.

Wegen der Behinderung ausländischer Journalisten an ihrer Arbeit in Belarus hat das Auswärtige Amt den Botschafter des osteuropäischen Landes einbestellt.

Die deutsche Botschaft betreue die betroffenen Journalistinnen und Journalisten deutscher Medien und habe hochrangig gegen die Verhaftungen interveniert. „Weitere Maßnahmen behalten wir uns ausdrücklich vor“, so der Außenminister. Dieser Angriff auf die Pressefreiheit sei „ein weiterer gefährlicher Schritt zu mehr Repression statt zum Dialog mit der Bevölkerung“.

In Belarus waren zuvor erneut ausländische Journalisten festgenommen worden, darunter auch Mitarbeiter deutscher Medien. Ein ARD-Kamerateam wurde in der Nacht zu Samstag in einer Polizeistation in Minsk festgehalten, wie der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in Köln mitteilte. Das dreiköpfige Team sei am Samstagvormittag wieder freigekommen.

Zwei Mitarbeiter seien des Landes verwiesen worden und hätten ein Einreiseverbot nach Belarus für fünf Jahre erhalten. Die Deutsche Welle (DW) teilte am Freitagabend in Bonn mit, dass eine ihrer Korrespondentinnen bereits am Donnerstag ebenfalls stundenlang auf einem Polizeirevier in der belarussischen Hauptstadt festgehalten worden sei. Die DW-Korrespondentin Alexandra Boguslawskaja hielt sich den Angaben nach am Rande einer Protestaktion gegen die autoritäre Staatsführung auf. Ohne Vorankündigung oder Aufforderung, den Ort zu verlassen, sei sie gemeinsam mit anderen Journalisten auf das Polizeirevier gebracht worden.

„Diese angeblichen Prüfungen persönlicher Papiere sind fadenscheinige Versuche."

Vor ihrer Freilassung sei der Journalistin trotz vollständiger und wiederholter Vorlage der Papiere mitgeteilt worden, es werde ein „Verwaltungsprozess gegen sie wegen journalistischer Arbeit ohne Akkreditierung eingeleitet“. Das belarussische Innenministeriums bestätigte der DW später, dass der Verwaltungsprozess bereits wieder eingestellt sei. DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge sprach von einem Angriff auf die Pressefreiheit. „Diese angeblichen Prüfungen persönlicher Papiere sind fadenscheinige Versuche, eine unabhängige Berichterstattung zu behindern und Menschen Informationen vorzuenthalten“, erklärte sie. Bei dem WDR-Team handelt sich den Angaben nach um einen Kameramann und einen Kamera-Assistenten aus Russland, die für das ARD-Studio Moskau arbeiten, sowie einen belarussischen Producer. Alle Drei waren laut WDR ordnungsgemäß akkreditiert. Die Akkreditierungen seien aber mittlerweile entzogen worden. Die beiden russischen Kollegen haben demnach ihre Heimreise angetreten. Dem belarussischen Producer drohe ein Prozess. WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn äußerte sich bestürzt. „Ich bin entsetzt und halte den Umgang mit unserem Team in Minsk für absolut inakzeptabel“, sagte er. Das ARD-Studio Moskau steht unter der Federführung des WDR.

Am Montag wurde es konkreter. „Nach den Ereignissen vom Wochenende reist unser Korrespondent Jo Angerer zunächst nach Deutschland aus, da ihm in Minsk die Produktionsmöglichkeiten entzogen wurden“, sagte eine WDR-Sprecherin dem Tagesspiegel.

„ Wir werden mit Blick auf die nächsten Tage verschiedene Möglichkeiten prüfen, um weiterhin eine Berichterstattung aus Minsk mit ARD-Mitarbeitern vor Ort zu realisieren.“ Dabei habe die Sicherheit der Mitarbeiter Priorität. Die Berichterstattung werde in der Zwischenzeit aus dem ARD-Studio in Moskau erfolgen..

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt plane das ZDF nicht, sein Team aus Belarus abzuziehen, sagte ein Sprecher des Mainzer Senders dem Tagesspiegel.

"Die Sicherheitsvorkehrungen für die ZDF-Kollegen vor Ort wurden noch einmal erhöht, die Situation wird genau beobachtet, und die Risiken abgewogen." Derzeit sei die Berichterstattung unter den Bedingungen, die in Belarus für ausländische Journalisten herrschen, extrem schwierig.

Seit der Präsidentenwahl am 9. August in Belarus reißen die Proteste gegen den autokratisch regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko nicht ab. Mehrere Dutzend Journalisten wurden seit Anfang August verhaftet und verurteilt, darunter bereits vor der Wahl auch ein DW-Reporter.

Der Deutsche Journalisten-Verband fordert indes von der Bundesregierung Konsequenzen gegenüber der Regierung von Belarus wegen der systematischen Unterdrückung der Pressefreiheit und der Schikanen gegen Journalisten. Der DJV sieht die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der besonderen Verantwortung, dem Regime von Alexander Lukaschenko eine deutliche Antwort auf die Verfolgung von Journalisten, Oppositionellen und Kritikern zu geben.

„Dass Bundesaußenminister Heiko Maas den belarussischen Botschafter einbestellen will, ist ein wichtiges Signal“, sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Es dürfe aber nicht bei dem Austausch diplomatischer Noten bleiben. "Wirtschaftssanktionen gegen Belarus dürfen kein Tabu mehr sein.“ epd/meh

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