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Die klassische Anordnung. US-Präsident Barack Obama (re.) diskutiert mit dem republikanischen Kandidaten Mitt Romney vor der Wahl im November 2012. Foto: AFP

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TV-Duell: Spaß beiseite

Ein Stefan Raab für ein Polit-Spitzenduell? In den USA wäre das undenkbar. Dort gilt, dass der Journalist niemals zum Objekt der Story werden darf.

Amerika ist das Mutterland der Fernsehduelle. Solche Debatten können Wahlen entscheiden. Das klassische Beispiel bleibt Richard Nixon, der 1960 schlecht rasiert, mit Schweiß auf der Stirn einen optisch unvorteilhaften Eindruck im Vergleich mit John F. Kennedy hinterließ. 2012 büßte Barack Obama seinen Vorsprung in Umfragen ein, nachdem er im ersten von drei Duellen den Eindruck erweckt hatte, er sei müde und vermeide den Blickkontakt mit seinem Gegner Mitt Romney. Angesichts der Bedeutung dieser Debatten wachen die Wahlkampfteams beider Seiten mit Argusaugen über jedes Detail: Sitzen oder stehen die Kandidaten? Dürfen sie sich direkt an das Publikum wenden? Welche Farbe haben Teppichboden und Hintergrund? Blau ist die Farbe der Demokraten, Rot die der Republikaner. Und: Wer moderiert? Die Idee, die jüngst in Deutschland aufgekommen ist, hat man in Amerika noch nie ernsthaft erwogen: einen Entertainment-Star wie Stefan Raab zu beauftragen, Elefantenrunden zu moderieren.

Der Vorschlag folgt hierzulande dem Denkansatz, man müsse die Debatte durch einen unterhaltsamen Moderator attraktiver für die Zuschauer machen. Die Spitzenkandidaten wirkten zu trocken oder hätten nicht genug Anziehungskraft. Diese Überlegung steht im Gegensatz zur Herangehensweise an eine „Presidential Debate“ in den USA. Die Stars sind die Kandidaten, nicht der Moderator. Der Grundanspruch lautet: „Der Journalist darf niemals zum Objekt der Story werden.“ Das betonte die „New York Times“ in ihrem Bericht über die 2012 ausgewählten Moderatoren: Jim Lehrer von PBS, der seit 1988 in jedem Wahljahr eine Debatte moderiert hatte. Bob Schieffer von CBS, der seit 2004 dabei ist, und Candy Crowley von CNN – erstmals wieder eine Frau seit zwanzig Jahren.

Nach amerikanischen Vorstellungen haben Moderatoren ihre Aufgabe optimal erfüllt, wenn sie als Person in den Hintergrund treten, aber sicherstellen, dass die Spitzenkandidaten die Fragen tatsächlich beantworten und mit ihrer Autorität die Regeln für den Schlagabtausch durchsetzen, voran die Begrenzung der Redezeit. Die Überlegung, dass Comedians wie Jay Leno, David Letterman, Bill Maher oder Jon Stewart das womöglich besser können als politische Journalisten, wurde in den USA bisher nicht so ernsthaft diskutiert wie in Deutschland.

Fernsehduelle passen generell besser zum politischen System der USA. Bei der Präsidentenwahl steht die Person im Mittelpunkt. Der Sieger regiert auch dann, wenn er keine Parlamentsmehrheit hat. Die Kanzlerin oder der Kanzler werden vom Bundestag gewählt und stürzen, wenn sie dort keine Mehrheit mehr haben. Das Prinzip Person gegen Person durchzieht alle Wahlen in den USA. Auch in das Abgeordnetenhaus oder den Senat kann man nur direkt gewählt werden, es gibt keinen indirekten Weg über „sichere Listenplätze“ wie in Deutschland.

Die Neugier auf die Spitzenkandidaten und ihr Duell ist in den USA also ins System eingebaut. Die US-Fernsehdebatten werden seit 1987 von der überparteilichen „Commission on Presidential Debates“ organisiert. Auch in Amerika gab es immer wieder Kritik, diese Duelle erfüllten ihren Zweck, die Bürger über entscheidende inhaltliche Unterschiede zu informieren, nicht mehr richtig. Erstens, weil die Kandidaten kein Interesse hätten, sich offen über ihre Absichten zu äußern. Oder weil, zweitens, die Moderatoren nicht die richtigen Fragen stellten. Amerikas Antwort darauf war aber nicht der Versuch, den Spaßfaktor durch die Auswahl eines anderen Moderatorentypus zu erhöhen. Die Organisatoren variierten vielmehr den Ablauf und die Spielregeln. Neben der klassischen Anordnung – der Moderator befragt die beiden Spitzenkandidaten – gibt es den sogenannten „Townhall“-Stil. Dort stellen Bürger aus dem Publikum die Fragen.

Wegen der Moderatorenauswahl gerieten die Organisatoren mehrfach in die Kritik. 2012 gab es offenen Protest, weil seit Jahren keine Frau moderiert hatte. So wurden Candy Crowley von CNN für die zweite Präsidentendebatte und Martha Raddatz von ABC für die Vizepräsidentendebatte ausgewählt. Dem Dinosaurier unter den Moderatoren, dem schon 78 Jahre alten Jim Lehrer, wurde zudem angelastet, er sei nicht mehr reaktionsschnell genug.

Wer moderiert, braucht ein dickes Fell. Der Auftrag gilt zwar als hohe Ehre. Der Moderator wird aber zumeist auch zum Ziel persönlicher Angriffe. Am besten solle die ganze Familie für mehrere Wochen Twitter und andere Netzwerke ignorieren, raten Raddatz und Crawley. Das dürfte Stefan Raab interessieren.

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