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Stromberg

© Pro7

Büro-Comedy: Strombergs Sargdeckel

Auserzählt oder unerreicht? Die preisgekrönte Pro-7-Serie kehrt zurück. Bernd Stromberg ist der Alte geblieben – und das ist sein Problem.

Der bitterste Tod, den eine Serie im deutschen Fernsehen sterben kann, ist der Tod, den die Realität verursacht: Wenn weder der Schreiber noch der Schauspieler Schuld tragen am Scheitern des Formats, sondern der verfluchte Alltag. Wenn das wahre Leben die Fiktion einholt. Und wenn es schlecht läuft für Fernsehdeutschland, passiert in diesem Winter genau das mit „Stromberg“. Die vierte Staffel der Bürosatire, die Pro7 an diesem Dienstag um 22 Uhr 15 mit einer Doppelfolge startet, wäre damit die letzte. Und das wäre irgendwie schade. Aber auch verständlich.

Denn Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) ist der Alte geblieben – und das ist sein Problem. Er ist auch in dieser vierten Staffel ein unerträglicher Chef, ein selbstverliebter Egoist und ein armes Würstchen. Er ist dies alles in einem neuen Umfeld, in Finsdorf, einem kleinen Fleckchen Nichts zwanzig Minuten von der alten Capitol-Niederlassung entfernt, aus der Bernd Stromberg ganz zu Beginn endgültig rausgeschmissen wird. Der Ortswechsel soll dem Serientod vorbeugen. Das Problem: Seit dem Serienstart vor fünf Jahren wurde „Stromberg“ von der Realität überholt. Sozial unverträgliche Protagonisten grüßen derzeit von allen Kanälen. In echt. Da kann die Satire kaum noch mithalten.

Dabei soll sie doch den einen Schritt weiter gehen als die Realität, soll überzeichnen und karikieren – das war ihre Stärke. Bis jetzt. Wer jedoch einmal „Ramschkönig“ Alex Walzer im Sat-1-Abendprogramm beim Geschäftemachen zugesehen hat, kann über den fiktiven Bernd Stromberg nur lächeln. Der echte Filialleiter aus dem Harz lässt seine Kunden schon mal Kniebeugen für Rabatte machen, fünf Stück für ein Prozent, live und in Farbe, nebenbei überzieht er seine Kunden mit Sprüchen, die gut und gerne auch aus der Feder von „Stromberg“-Autor Ralf Husmann stammen könnten. Die Redakteure vom Schmuddelfernsehen haben ganze Arbeit geleistet. Selbst die Type „verschüchterter Bürotrottel“ – bei „Stromberg“ dargestellt vom großartigen Bjarne Ingmar Mädel als „Ernie“ – hat sein Pendant in der Wirklichkeit gefunden. Oder funktioniert die Landwirt-Kuppelshow von Inka Bause etwa nicht nach dem Prinzip: Vertrottelter, ungeliebter Bauer sucht Frau?

Die kleine, absurde Stromberg-Welt ist angekommen in der zurechtgeschnittenen deutschen Fernsehrealität – das fiktive Original muss jetzt damit klarkommen, muss das Abstruse ins noch Abstrusere ziehen. Oder untergehen. „Wir mussten das Format aufbrechen, um es glaubwürdig zu halten“, hatte Ralf Husmann im Vorfeld der vierten Staffel gesagt. Er meinte damit die Verlegung seines Hauptdarstellers nach Finsdorf. Doch die Umsortierung bringt nur kurzzeitig neues Leben in die eigentlich auserzählte Geschichte vom nervigen Chef. Husmann lässt aus Anlass der Versetzung seines Hauptdarstellers einen Beziehungs-Tsunami durch die Serie wüten. Plötzlich übernimmt die lange unterschätze Angestellte Tanja Seifert (Diana Staehly) die Abteilungsleitung vom Ekel-Chef. Bernd Stromberg selbst hat es im Niemandsland mit einem Versicherungsjüngling im schlecht sitzenden Anzug (Kai Malina) und einer polnischen Wurstsalat-Spezialistin mit rudimentären Versicherungskenntnissen (Ramona Kunze-Libnow) zu tun, Büroseelchen Ernie hat noch immer am Tod seiner Mutter zu knabbern, mit weitreichenden Folgen. Nur reichen diese kleinen Justierungen der Satire nicht aus, um mit der Realität eines Harzer Ramschkönigs mitzuhalten. Zumindest keine zehn Folgen, so viele Episoden hat die vierte Staffel „Stromberg“.

Die Hoffnung liegt jetzt also auf den acht Folgen, die nach dem Doppelpack noch auf die Zuschauer warten. Als Teil einer großen Werbekampagne hat die Produktionsfirma Brainpool Trailer der folgenden Episoden ins Netz gestellt. In einem der 30-Sekünder richtet ein verzweifelter Ernie eine Pistole auf seinen alten Chef, und Büro-Proll Ulf Steinke (Oliver Wnuk) prügelt Stromberg über den Küchentisch. Im Vorfeld des Serienstarts wurde im Internet die Seite finsdorf.de freigeschaltet – als Teil einer viralen Markenkampagne des Privatsenders. Sie ist eine Zumutung. Mit dumpfen Zwei-Bild-Animationen und noch dumpferem Text („Getanzt wird, bis die Socken qualmen, gelöscht wird dann mit Bier!“) persifliert die Seite Provinz-Internetauftritte vom Anfang der Neunziger. Gekonnt und übertrieben. Finsdorf.de ist bereits da angekommen, wo „Stromberg“ noch hinmuss. Im Bodenlosen.

„Stromberg“, Pro7, 22 Uhr 15

Tim Klimeš

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