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Entgegen dem Muttersender-Standard: ZDFneo zeigt die neue Serie "Im Knast".

© dpa

Neue Serie "Im Knast" bei ZDFneo: Wenn der Regisseur sich lieber ums Catering kümmert

Unser TV-Kritiker freut sich, dass sich ein Spartensender wie ZDFneo mit "Im Knast" an eine eigenproduzierte Serie traut - bis er sich das Ganze dann anschaut. Die schlechten Witze und nicht nachvollziehbaren Handlungsstränge eignen sich für ihn höchstens als Folterinstrument.

Erstmal dickes Lob dafür, dass ein Spartenwinzling wie ZDFneo sich an eigenproduzierte Serien traut. Eine Comedy-Serie. Eine Comedy-Serie, die im Knast spielt. Ausgeflippter Titel: „Im Knast“. Knast, Comedy und Serie. Der übliche ZDF-Mutter-Sender-Standard ist mit dieser Kombination sicher ganz schön überfordert. Reine Serien-Anarchie. Kompliment.

Dem üblichen Serienkonsumenten, egal bei welchem Sender, egal ob er sich die geballte Ladung live, als Stream oder als DVD reinzieht, sind rote, übertretene Linien gleich. Er will eine gute Geschichte. Annehmbare Schauspieler. Unterhaltung. Spannung. Humor. Bei deutschen Serien besteht die Konditionierung darin, das alles nicht gleichzeitig zu fordern. Ein kleiner Mindestanteil wäre nicht schlecht.

Zutaten der Geschichte: die Knastpsychologin Nora, die auf sanfte Therapie setzt. Der Knast-Direktor Dr. Kempers, den das stört. Nora stellt fest, dass sie von Kameras überwacht wird. Drei Knasthelden – Erdem, Manni und Alexander. Die Psychologin soll aus irgendwelchen Gründen entlassen werden. Iwan, Anführer der Russen nimmt aus irgendwelchen Gründen erst Erdem, dann Nora als Geisel. Iwan gibt aus irgendwelchen Gründen auf. Nora verlässt den Knast. Ihr Nachfolger, Dr. Winter, Psychologe und selbst sein bester Patient. Erdem, Manni und Alexander wollen Nora zurück. Sie inszenieren eine Geiselnahme. Nora kommt zurück. Aus irgendwelchen Gründen bringt sie Dr. Kempers dazu, die Kameraüberwachung zu beenden. Erdem, Manni und Alexander sind glücklich. Abspann. Ende erste Folge.

Es gibt noch Walküre, die rechte Hand des Direktors. Sie ist meistens stumm. Und es gibt Martin Semmelrogge. Knastbruder im Block C. Aus irgendwelchen Gründen darf er in der ersten Folge irre in die Kamera lachen. In einzelnen Folgen gibt es Auftritte von Gaststars. Niels Ruf als Justizvollzugsbeamter. Katy Karrenbauer als Richterin Karrenbauer. Wolfgang Trepper als Selbsthilfe-Guru Wolfgang Trepper. Serdar Somuncu als Häftling Somuncu. Haben sie gemerkt? Schauspielernamen gleich Seriennamen. Die Gag-Maschine läuft heiß. Dazu  gibt es noch ganz viele brillante Dialogperlen: „Man sollte die Russen nie unterschätzen“, „Nicht unterschätzen? Der Russe bringt eine Zwiebel zum Heulen“. „Ich arbeite in solchen Fällen sehr gerne mit der Kakerlaken-Armee unter meinem Bett zusammen. Sehr gute Männer, bis auf Charlie.“ „Haben sie was genommen?“ „Ja“. „Das Letzte, was man im Knast gebrauchen kann, ist eine Frau“. „Ihr Papa hat bestimmt rostiges Sperma gehabt. Hahaha.“  „Ja das ist sehr komisch“. Genau. Geniale Gag-Genüsse. Vom  Autor in langen, intensiven Drehbuchsitzungen mit Schweiß, Herzblut und Unfähigkeit auf’s Papier gebracht.

Denis Moschitto, ein guter Schauspieler. Er kann dieses in Papier gekritzelte Armutszeugnis nicht zum Leben erwecken. Wilfried Hochholdinger, ein schlechter Schauspieler. Er übertrifft sich hier. Übertriebenes Grimassieren. Selbst in seligen Zeiten von Jerry Lewis unerträglich. Was diesen ungenießbare Serien-Konkurs mehr als nervig erscheinen lässt, ist die auftretende Coolness. Die Sicherheit, da was feines, freches, freakiges erschaffen zu haben. Serien haben normalerweise einen Regisseur. Der hat sich aber offenbar lieber ums Catering gekümmert. Nach der Premiere gibt es noch fünf Folgen. Man sollte die Serie archivieren. Und damit in einigen Jahren gnadenlose Folter-Exzesse veranstalten.

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