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Aus der Traum. Online-Scheidungen sind bereits möglich.

© picture alliance / dpa

Digitale Verwaltung: Willkommen in der One-Stop-City

Hort-Gutschein, Parkausweis oder gar Scheidung: Wann wird der Gang zum Amt überflüssig? Berlin will Vorbild für digitale Verwaltung sein.

Scheiden lassen kann man sich heute schon deutlich schneller als früher. Wer „Scheidung online“ in eine Suchmaschine eintippt, erhält Dutzende Anzeigen, die das versprechen. Mit „Scheidung für Eilige, schnell, bequem und kostengünstig“, wird da geworben. Dahinter stecken Anwaltskanzleien, die sich auf einvernehmliche Blitzscheidungen spezialisiert haben. Online-Formulare ausfüllen genügt, schon reichen die Anwälte die Unterlagen samt Schriftsatz beim zuständigen Gericht ein. Unerfreulicher Lebensabschnitt? Beendet.

Die Digitalisierung von Staat und Bürokratie schreitet voran. Finanzämter und Gerichte verfügen schon seit Jahren über elektronische Briefkästen, auch die Polizei ist übers Internet erreichbar. Bei der „Internetwache“ der Berliner Polizei gehen mittlerweile wöchentlich 1750 Meldungen ein, ein Großteil davon sind Strafanzeigen. Ansonsten aber ist es mit der digitalen Bequemlichkeit, die die Berliner Behörden ihren Bürgern bieten, noch nicht allzu weit her. Wer Anträge stellen will, amtliche Dokumente oder Bescheide braucht, muss auch im Zeitalter des Internets noch viel Zeit und Geduld mitbringen.

Bis 2016 will Berlin Vorreiter in digitaler Verwaltung sein

Erst sucht man sich im Netz die Finger wund nach dem zuständigen Amt und dessen Adresse und Öffnungszeiten, dann wartet man in kargen Fluren vor Türen, auf denen DIN-A4-Zettel mit der Aufschrift „A-He“ oder „Ki-Qu“ hängen. Kaum eine Lebenslage, die nicht immer noch den persönlichen Gang zum Amt nötig macht. Oder zumindest den Gang zur Post. Wer einen Hort-Gutschein braucht oder seinen Anwohner-Parkausweis verlängern will, kann zwar mittlerweile online Formulare finden, muss diese aber umständlich ausdrucken, unterschreiben und in Papierform abschicken.

Dieser unbefriedigende Zustand soll sich in Berlin bis 2016 grundlegend ändern. „Bürger und Unternehmen erhalten einen einheitlichen, webbasierten Zugang zu allen Leistungen der Berliner Verwaltung.“ So steht es zumindest in einem Strategiepapier, das das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme „Fokus“ vor einiger Zeit im Auftrag der Senatsverwaltung für Inneres und Sport erstellt hat. Es sei für die Bürger schlichtweg unverständlich, so heißt es dort weiter, „dass sie mit zahlreichen Anlaufstellen, Ansprechpartnern und Vorgehensweisen konfrontiert sind“. Zumal überall in der Wirtschaft die digitalen Serviceangebote immer einfacher und niedrigschwelliger werden.

Größtes Problem derzeit: Der Verzicht auf Unterschriften

Zunächst einmal muss dem Wildwuchs ein Ende gesetzt werden, der auf Landesebene ebenso herrscht wie auf Bundesebene und bei dem jedes Amt und jeder Bezirk sein eigenes Süppchen kocht. Die ersten Schritte hin zur digitalen Zentralisierung hat die Berliner Verwaltung vor eineinhalb Jahren gemacht. Seitdem werden auf der Webseite www.service.berlin.de alle verfügbaren Anträge aller Ämter gebündelt aufgelistet. Über 800 000 Zugriffe hat es seit dem Start der Seite gegeben, die meisten davon münden allerdings nur in Terminbuchungen für Wohnungs-Ummeldungen, neue Personalausweise oder Kinderreisepässe.

Eine kleine Erleichterung ist das durchaus schon, aber noch weit entfernt von einem sogenannten „medienbruchfreien“ Vorgang, bei dem alles digital erledigt werden kann. Vom eigentlichen Antrag über das Vorzeigen der benötigten Nachweise bis zum Bezahlen der anfallenden Gebühren. Genau das ist das Ziel von E-Government. Berlin soll für Bürger und Unternehmen zur „One-Stop-City“ werden, betont das Fraunhofer-Institut: Einmal reinklicken, ausfüllen, Anlagen hochladen, absenden, fertig. Doch dafür bedarf es komplizierter interner Reformen. Und die betreffen nicht nur den technischen Ausbau oder die Bereitstellung eines elektronischen Bezahlverfahrens. Der Verwaltungsakt selbst muss auf den Prüfstand.

Staatssekretär Andreas Statzkowski, der beim Innensenat für den digitalen Umbau zuständig ist, erklärt: „Wir prüfen derzeit, wo wir auf Unterschriften verzichten können.“ Gesetzlich ist das genau vorgeschrieben. In analogen Zeiten wurden bei den Ämtern oft deutlich mehr Unterschriften verlangt, als der Gesetzgeber überhaupt fordert. Sobald diese unnötigen bürokratischen Hürden eliminiert sind, können noch mehr Anträge komplett übers Internet abgewickelt werden.

Ein weiterer Baustein ist die sichere digitale Identifizierung eines Antragstellers. Der neue Personalausweis verfügt über eine solche, sogenannte „eID“-Funktion, allerdings braucht es dazu ein entsprechendes Lesegerät zu Hause. Noch lohnt sich die Anschaffung für Privatpersonen kaum. Außerdem mangelt es an Akzeptanz in der Bevölkerung. Nur ein Drittel aller Bürger lässt derzeit überhaupt die „eID“-Funktion bei neuen Personalausweisen freischalten. Ob das aus Unwissenheit oder Datenschutzbedenken geschieht, ist unklar.

Ein Verwaltungskonto für Bürger - wie bei Ebay oder Amazon

Möglicherweise steigt die Begeisterung, wenn der konkrete Nutzen erst deutlicher sichtbar wird und im Internet mehr als nur Terminreservierungen und das Herunterladen von PDFs möglich sind. Für die kommenden zwei, drei Jahre ist in Berlin die Einführung eines zentralen Portals geplant, bei dem man sich einmalig ausweist und dann ein persönliches Kundenkonto erstellt – grob vergleichbar mit einem Nutzer-Account bei Ebay oder Amazon. In diesem Konto sollen dann nicht nur die persönlichen Stammdaten hinterlegt sein, sondern von hier aus sollen sich alle Anträge zentral verwalten lassen.

Über das Konto können dann auch Gebührenzahlungen abgewickelt und der Bearbeitungsstand eines Antrags kann eingesehen werden. Sogar ein persönlicher Dokumentensafe ist geplant. Damit beim nächsten Kontakt mit der Verwaltung alle nötigen Nachweise möglichst schon digital vorliegen und nicht noch mal beglaubigt oder eingescannt werden müssen. „Das Portal kommt“, versichert Andreas Statzkowski, „wir treiben die Realisierung stringent voran.“

Doch selbst wenn Berlin zur innovativen „One-Stop-City“ wird, bleiben immer noch die Hürden beim Ausfüllen. Der mündige digitale Nutzer muss auch das Juristendeutsch allein entschlüsseln können. Nicht immer gelingt das. Und manchmal hat ein falsches Häkchen fatale Folgen. Kürzlich klagte eine geschiedene Frau vor dem Landgericht Berlin – nicht gegen ihren Ex-Mann, sondern gegen ihre Scheidungsanwälte. Die Frau hatte im Netz Formulare ausgefüllt und dabei angekreuzt, dass sie auf jeglichen ehelichen Unterhalt verzichtet. Die Reichweite dieser Entscheidung sei ihr aber überhaupt nicht klar gewesen. Ihre Anwälte hätten sie besser beraten müssen, günstige Online-Scheidung hin oder her. Das Gericht gab ihr Recht.

WAS GEHT SCHON ONLINE?

Eine Übersicht darüber, welche Behördengänge in Berlin bereits im Netz erledigt oder vorbereitet werden können, gibt die Seite https://service.berlin.de. Hier finden sich alphabetisch sortierte Formulare, von A wie „Anmeldung eines geschützten Tieres“ bis W wie „Wunschkennzeichenreservierung“. Tsp

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