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© dpa

Heidi Klum: Yes, she can!

Das Phänomen Heidi Klum: Warum die Werbe-Ikone in den USA geliebt und in Deutschland kritisiert wird.

Es war kein bisschen Ironie dabei, als Heidi Klum im vergangenen Jahr zum Plausch mit Daytime-Talkerin Ellen De Generes in einem Kleid mit US-Nationalflaggenaufdruck antrat. Das Fräuleinwunder der Modewelt hatte soeben die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten, gerade noch rechtzeitig, um Obama zu wählen, wie sie betonte. Der Passwechsel war aber mehr als nur politischer Pragmatismus. Die Klum fühlt sich durch und durch als Amerikanerin.

Die vor 36 Jahren in Bergisch Gladbach geborene Heidi Klum ist voll in die US-Society integriert. Sie lebt in Beverly Hills zwischen den Beckhams und den Cruises, gehört zu den Stammgästen bei den „Oscars“. New Yorks Modewelt liegt ihr zu Füßen. Die Talkshows reißen sich um einen Termin mit ihr, Klums Fernsehshow „Project Runway“ ist ein Quotenrenner.

Heimweh nach Deutschland kommt da kaum auf. Zumal sie in Amerika wesentlich netter behandelt wird als zu Hause. Während Heidi Klum in ihrer Heimat wahlweise als „zum Maßstab humaner Seinserfüllung hochgerüstete Belanglosigkeit“ (Roger Willemsen) und als „Werbegirl mit Dauergrinsen“ (Wolfgang Joop) beschimpft wird, nennt man sie in Amerika eine „hart arbeitende, dreidimensionale Frau“, wie ein Insider der Modebranche sagte. „Project Runway“-Kollege Michael Kors schwärmt vom „Mädchen, das man in der Schule immer vor Neid hassen wollte, es aber nicht schaffte, weil sie so zauberhaft ist“.

Beinahe scheint es so, als hätte Heidi Klum genau an jenem Punkt ihrer Karriere endgültig Amerika erobert, an dem sie die Deutschen befremdet. Bis vor wenigen Jahren war das Model, das sich auf den roten Teppichen von Hollywood und den Laufstegen in New York durchgesetzt hat, ohne dabei seine Bodenständigkeit einzubüßen, ein Art Repräsentantin der Nation im globalen Glamour-Business. Seit sie sich zur selbstbewussten Ein-Frau-Marke mit einem ständig expandierenden Werbe- und Medienimperium gemausert hat, wird sie den Deutschen jedoch zunehmend unsympathisch.

Die Kritik entzündet sich vor allem an der vermeintlichen Kälte, mit der Klum die Kandidatinnen der Pro-Sieben-Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ abzukanzeln pflegt. In der US-Kultserie „Project Runway“ spielt sie eine ähnliche Rolle. Statt Models bewertet sie dort zwar Nachwuchsmodeschöpfer, das Prinzip ist jedoch das gleiche: Eine, die es geschafft hat, unterzieht die Nachfolgenden einer Feuertaufe. Sie sollen auf die harte Tour lernen, was man braucht, um sich im kapitalistischen LippenstiftDschungel durchzusetzen.

In Amerika ist solche Toughness eine Tugend – in Deutschland findet man sie unmenschlich. Deshalb scheiden sich an Klum wohl auch die Geister. Sie verkörpert die Ideologie des amerikanischen Traums perfekt. Ihr Lebenslauf untermauert, dass nur die Härtesten durchkommen, dass man andererseits aber alles erreichen kann, wenn man es nur genug will.

In Deutschland hatte Klum den Wettbewerb „Model ’92“ gewonnen, aber Karriere machte sie in den USA. 1993 ging sie nach New York, wo sie mit zwei anderen Models in einer mit Kakerlaken verseuchten Wohnung lebte. Unverzagt bot sie sich den Agenturen an, wenn ihre Kolleginnen auf Partys gingen, blieb Klum zu Hause, um am nächsten Morgen fit zu sein. Als sie zum Casting beim Reizwäsche-Riesen „Victoria’s Secret“ eingeladen wurde, riet ihr Agent davon ab. Dafür sei sie nicht gut genug. Sie ging trotzdem und wurde für die weltweit beachteten Dessous-Shows gebucht. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1998 als Titelmädchen der Bademoden-Ausgabe der „Sports Illustrated“.

Zwar hat sie nie die Catwalks in Mailand oder Paris erobert, dafür aber die USA und viel vom Rest der Welt. Sie hat sich zur Marke „Heidi Klum“ aufgebaut. Auf 14 Millionen Dollar Einnahmen im Jahr wird sie heute geschätzt, sie hat Werbeverträge mit Firmen von Microsoft bis zum Haarspray-Hersteller Schwarzkopf. An der „Runway“-Serie ist sie beteiligt, hat eine eigene Kosmetiklinie.

Ganz nebenbei zieht Klum mit offensichtlich großem Vergnügen ihre Kinder groß. Drei von ihnen sind vom Soul-Sänger Seal, in den sie, wie sie immer wieder betont, noch so verliebt ist wie am ersten Tag. All das fügt sich zu einem perfekten Bild der modernen amerikanischen Frau zusammen: im Beruf erfolgreich, glückliche Mutter und zudem noch liberal – eine Vorzeigefrau für das Obama-Amerika.

Über die eigentliche Belanglosigkeit ihres Model-Daseins vermag man sich in den USA nicht allzu sehr zu echauffieren. Im Gegenteil, das „Project Runway“ gilt als Edelmarke unter den Reality-Shows. Auch, weil „Walküre“ Heidi Klum mit ihrer Euro-Aura einen Hauch der großen weiten Modewelt in amerikanische Wohnzimmer bringt.

Sebastian Moll[New York]

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