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Die Ticketpreise der Bahn sind mit der Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent billiger geworden. 

© Sebastian Gabsch PNN

Was die Deutsche Bahn und Yoga-Studios gemeinsam haben: Mehr Fahrgäste durch gute Neujahrsvorsätze

2020 nutzen mehr Menschen als sonst die Deutsche Bahn. Das hat nicht nur mit günstigeren Preisen zu tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Vielleicht waren Yogastudios und die Deutsche Bahn AG sich noch nie so ähnlich wie im Januar 2020: gut für die Gesundheit (hier Mensch, da Klima) – und so voll wie selten. Letzteres ist für die Bahn, anders als für Yogastudios, als jahreszeitliches Phänomen neu.

Im Januar fuhren 12,2 Millionen Menschen mit der Bahn. Das ist ein Plus von 10,7 Prozent verglichen mit dem Vormonat Dezember. Bahn-Chef Richard Lutz erklärt das mit quasi objektiven Gründen, nämlich Geld und Service. Die Ticketpreise sind bekanntlich mit der Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent billiger geworden. Außerdem wurde in Fahrzeugflotte und Personal investiert. Das wird alles richtig sein, aber in der Liste fehlt etwas: der Faktor nämlich, der die Yogastudios füllt. Und das ist der gute Vorsatz zum neuen Jahr.

Mehr Bürgerinnen und Bürger als je zuvor sind weich geworden. Nach zwei Jahren sind sie schwer getroffen durch ein Dauerfeuer aus Klimakatastrophennachrichten, niedergewittert mit Tweets zum Thema Flugscham, des Atems beraubt durch immer noch schlimmere Meldungen zu Feinstaub- und Dieselabgaswerten und dann noch getroffen durch einen ADAC, der von der eisern verteidigten Frontlinie der Kein-Tempolimit-solange-wir-leben-Ritter abweicht. Sie haben zwischen Weihnachtsbaum und Silvesterrakete eingesehen, dass sich in Sachen Fortbewegung etwas tun muss, genauer: dass sie etwas tun müssen. Und warum nicht gleich ab 2020?

Also nicht nur Diätpläne erstellt, Yoga-Schnupperkurse gebucht, das Amazon-Konto gelöscht, sondern flugs auch die Schnupper-Bahncard25 gekauft und irgendwo hingefahren, wohin einen sonst das Auto gebracht hätte. Und wie die erste Yogastunde Begeisterung weckt (fühle mich wie neu geboren!), dürfte auch die erste Bahnfahrt (so leise, so schnell, so stresslos!) für Euphorie gesorgt haben.

Aber das kann nur der Anfang sein. Yogastudio-Besitzer wissen längst, dass Januar und Februar die Matten so voll sind, dass einem stickig werden kann, und man den Lehrkräften besser Urlaube streicht. Entscheidend aber ist der März.

Dann erst zeigt sich, ob man neue Kunden gewonnen hat oder reingefallen ist auf einen Haufen Gutenvorsatzfasser, die sich weder mit dem herabschauenden Hund noch der liegenden Taube jemals anfreunden werden und sich nur noch in die Kurse quälen, weil sie vor sich selbst nicht schlappmachen wollen. Die steigen dann auch bald wieder ins Auto.

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