zum Hauptinhalt
Wattierte Jacken, Pelzmäntel? Mussten nicht sein. Es gab viele leichte Blusen und Kleider. Besonders deutlich wurde das bei Alexandra Kiesel.

© dpa

Fazit zur Fashion Week: Nur nicht zu früh zufrieden sein

Die Berliner Modewoche ist weiter gewachsen: Es gab mehr Schauen zu sehen, die wichtigsten Messen verzeichneten höhere Besucherzahlen. Doch mit dem Erfolg steigen auch die Ansprüche. Denen muss sich Berlin künftig stellen.

Wenn Michael Michalsky die Bühne betritt, ist die Fashion Week fast vorbei. Bis dahin verlangt der Designer seinen Gästen einiges ab: Eigentlich ist man nur ins Tempodrom gekommen, um sich seine neueste Kollektion anzuschauen. Aber das ist Michalsky zu wenig, er will, dass sich das Publikum gebührend auf seine Mode vorbereiten kann.

Dafür schickt er es auf eine modische Butterfahrt. Erst gibt es Models mit Bodypainting und Tänzerinnen in bunten Ganzkörpertrikotagen, um ein paar Lederhandschuhe von Roeckl vorzuzeigen, dann gibt es Musik, dann eine etwas zerfaserte, unentschlossene Kollektion von Katja Fuhrmann von C’est tout, die sich nicht zwischen Indianerfolklore und städtischem Glamour entscheiden wollte. Und dann, nein, nicht Michalsky, sondern noch eine Sängerin.

Danach geht es los, und Michalsky lässt es mit feingewirkten, goldglänzenden Kettenhemden ordentlich glitzern. Aus diesem Material gibt es auch Röcke, Jacken und Pullover. Beim Druck, der auf flatterigen Abendkleidern wie Las-Vegas-Neonreklamen leuchtet, hat sich Michalsky dann doch etwas verhoben, sonst bleibt er sehr solide, wenn auch die Männer ein wenig einfallslos in Anzügen mit V-Silhouetten – oben breite Schulter unten schmales Bein – daherkommen.

Das Berliner Publikum ist anspruchsvoller geworden – es reicht nicht mehr, die hiesigen Maßstäbe anzulegen, nach dem Motto: „Für Berlin war das doch ganz gut“ oder: „Wir müssen froh sein, dass wir hier überhaupt eine Fashion Week haben“. Auch von außen wächst der Rechtfertigungsdruck, die Fashion Week ist so groß und sichtbar geworden, dass jeder meint, darüber mitreden zu müssen. Leider ist die Veranstaltung aber auch so unübersichtlich geworden, dass es Außenstehenden schwer fällt, sich eine Meinung zu bilden, die mehr ist, als aus überholten Klischees zusammengestrickt, denn Namen wie Kaviar Gauche und Lala Berlin sind eben nicht so populär wie Christian Dior oder Yves Saint Laurent. Aber wer sonst keine Designer kennt, der vergleicht eben jene historischen Figuren der Pariser Mode mit denen, die ihre Zukunft hoffentlich noch vor sich haben. Trotzdem, oder gerade deshalb: Die Ungeduld, dass man etwas sehen will, was wirklich überzeugt und nicht nur etwas werden könnte, ist größer geworden und auch völlig angebracht. Designer wie Vladimir Karaleev haben es mit ihrer Schau bewiesen: Für Berlin lohnt es, sich richtig ins Zeug zu legen.

Auch wirtschaftlich fällt die erste Bilanz positiv aus. So konnte Messemacher Karl-Heinz Müller sich über „ein deutliches Besucherplus“ auf seiner Bread & Butter, der weltweit wichtigsten Messe für Jeans- und Freizeitmode, freuen. „Die besten und wichtigsten Einkäufer aus Japan, den USA und Europa“ seien in die Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof gekommen. Er sei „sehr, sehr happy“, resümierte Müller.

Norbert Tillmann, Chef der Messe Premium, konnte „überragende Besucherzahlen“ an den ersten beiden Tagen verkünden. Er glaubt, „dass wir die schon rekordverdächtigen Zahlen der letzten Saison weit überschreiten werden“. Außerdem hätten die Aussteller „die Qualität der Besucher“ gelobt – was bedeutet, dass eben nicht nur viel los war in den teilweise überfüllten Hallen am Gleisdreieck, sondern auch die richtigen Kontakte geknüpft wurden.

Über Qualität statt Quantität freuten sich auch die Aussteller auf der kleineren Messe Seek. Bisher hatte die unter dem Dach der Premium stattgefunden, diese Saison war sie ein Haus weitergezogen, ins ehemalige Kühlhaus Kreuzberg. Dort drängelten sich zwar keine Besuchermassen, aber die, die kamen, interessierten sich gezielt für die Kollektionen der dort gezeigten kleinen, aber exklusiven Marken.

So konnte konzentrierter gearbeitet werden – ein Umstand, der von den vertretenen Firmen geschätzt wurde. „Wir würden nie auf die Bread & Butter gehen,“ sagte einer der Aussteller, dessen Produkte durchaus nach Tempelhof passen würden. Dort gehe es eher ums Image, auf einer überschaubaren, spezialisierten Messe stehe die Qualität der Kollektion im Vordergrund. Dass auch wichtige Einkäufer aus dem Ausland den Weg auf die kleine Seek fanden, zeigt, welche Bedeutung Berlin inzwischen in der Branche hat. Hier wird gezielt nach neuen Marken gesucht.

Und damit löst die Stadt das ein, was sie realistisch leisten kann – sie ist zweimal im Jahr für ein paar Tage ein internationaler Kommunikationsknoten der Branche. Darüber zu lamentieren, dass es hier keine Fertigung im großen Stil mit den entsprechenden Arbeitsplätzen gebe und daher alles nicht nachhaltig und nur schöner Schein sei, ist bestenfalls naiv – die Zeiten der Textilproduktion in Deutschland sind seit Jahrzehnten unwiederbringlich vorbei. Auf einer Modewoche werden Informationen gehandelt, und das funktioniert in Berlin von Saison zu Saison besser.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false