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Respekt für die Frauen der Gen Z
Die beste Generation, die es je gab
Der Fall Rammstein hat wieder gezeigt: Die Anfang Zwanzigjährigen von heute könnten es schaffen, das Patriarchat endgültig zu besiegen. Warum wir alle Hymnen auf sie singen sollten.

© Gestaltung: Tagesspiegel/Fotos: IMAGO/Christoph Hardt, shelbys69666/Instagram

Respekt für die Frauen der Gen Z: Die beste Generation, die es je gab

Der Fall Rammstein hat wieder gezeigt: Die Anfang Zwanzigjährigen von heute könnten es schaffen, das Patriarchat endgültig zu besiegen. Warum wir alle Hymnen auf sie singen sollten.

Ein Zwischenruf von Julia Bähr

Als die Irin Shelby Lynn die Anschuldigungen gegen Till Lindemann äußerte, war sie allein damit. Sie hatte keinen Anwalt und keinen Social-Media-Berater. Sie hatte nur das Internet und sehr viel Courage. Und sie verbrachte die darauffolgenden Tage damit, sehr viele Nachrichten zu beantworten von anderen Betroffenen und von Journalist:innen.

Man kann sich ausmalen, was für aggressive Nachrichten sie gleichzeitig von anderen bekam. Sie hätte ihr Postfach auch schließen und sich das alles ersparen können. Aber Shelby Lynn wich keinen Zentimeter zurück.

Als die deutsche Influencerin Kayla Shyx ihr erstes Video zu ihren Erlebnissen bei einem Rammstein-Konzert aufnahm, sagte ihr Management ihr, das könne sie nicht bringen. Man wisse doch, wie es bei diesen Konzerten laufe. Sie bringe Leute in Schwierigkeiten. Kayla Shyx wartete ab. Als die ersten anderen sich aus der Deckung gewagt hatten, veröffentlichte sie ein neues Video.

Wir könnten eure Mütter sein, liebe Gen Z. Und wir wären unendlich stolz.

Julia Bähr

Darin berichtet sie nicht nur, was ihr passiert ist. Sie liefert auch eine Analyse des Machtungleichgewichts dieser Situation, die besser ist als das meiste, was viele Journalisten in den Tagen zuvor zuwege gebracht hatten. Mit ihrem Management arbeitet sie nicht mehr zusammen.

Shelby Lynn ist 24, Kayla Shyx 21 Jahre alt. Wann immer ich in den letzten Tagen mit Frauen meines Alters gesprochen habe, nämlich etwa zwanzig Jahre älter als die beiden, hatten wir eines gemeinsam: Wir waren wie gebannt vor Ehrfurcht.

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Wenn ich hier das Wort „wir“ benutze, was ich gleich ausgiebig tun werde, kann ich also natürlich nicht für uns alle sprechen – aber doch für einige von uns, ältere Millennials und Xennials. Wir könnten eure Mütter sein, liebe Gen Z. Und wir wären unendlich stolz.

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Denn ihr seid so viel tougher und klüger, als wir es jemals waren. Ihr wisst, wie es geht. Ihr schließt euch zusammen. Ihr habt Mut. Ihr wehrt euch. Ihr nutzt eure Mittel, allen voran natürlich soziale Medien. Es ist eine große Hilfe, aber das heißt nicht, dass ihr es leichter habt.

Wir blicken aber nicht nur mit Bewunderung und Respekt auf euch, sondern auch mit Trauer, Scham und Frustration. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass ihr auch noch solche Dinge erleben müsst wie Shelby und Kayla. Wir wollten längst weiter sein, für uns, für euch. Oft wussten wir selbst nicht, dass etwas nicht in Ordnung war. Es ist schwierig zu beschreiben, was für ein sexistisches Gesamtklima herrschte.

Wir konnten irgendwann nicht mehr so kämpfen wie ihr

In den Neunzigern galt es noch als völlig in Ordnung, dass der Komiker Jerry Seinfeld mit 34 Jahren Dates mit einer Siebzehnjährigen hatte. Und als wir so alt waren wie ihr jetzt, war es normal, dass Fotografen Schauspielerinnen beim Aussteigen aus dem Auto unter den Rock fotografierten. Der Weg bis dahin, wo wir heute sind, war schon weit.

Und wir konnten irgendwann nicht mehr so kämpfen wie ihr. Das klingt vielleicht, als würden wir jetzt im Liegestuhl von der Seitenlinie zuschauen. So ist es nicht. Aber wenn man älter wird, gerade als Frau, macht man nicht mehr dieselben Erfahrungen.

Manche Räume bleiben uns verschlossen: Mit 40 kommt man nicht mehr in die Row Zero. Manche Räume haben wir verlassen, weil es dort nicht auszuhalten ist: Aus der sexistischen Games-Industrie etwa sind etliche Frauen ausgestiegen. Und in den meisten Räumen werden wir signifikant besser behandelt als noch vor zwanzig Jahren.

Vertraut euch uns an, holt uns ins Spiel, wenn ihr uns braucht. Viele von uns sind inzwischen in Positionen, von denen aus wir euch besser unterstützen können.

Julia Bährs Botschaft an die Frauen der Gen Z

Das ist nicht nur eine gesellschaftliche Entwicklung. Es liegt auch daran, dass es gar nicht so wenige Menschen gibt, die jungen Frauen gegenüber deutlich unverschämter sind, als sie es bei uns noch wagen würden. Es kann also passieren, dass wir eine Veranstaltung als angenehm empfinden, auf der ihr die gegenteilige Erfahrung macht. Das macht es uns nicht einfacher, euch zu unterstützen. Es sei denn, ihr wendet euch an uns.

Wir glauben an euch – vielleicht mehr als ihr selbst

Vertraut euch uns an, holt uns ins Spiel, wenn ihr uns braucht. Viele von uns sind inzwischen in Positionen, von denen aus wir euch besser unterstützen können. Und ja, einige mussten viel schweigen, lächeln und nicken, um in diese Positionen zu gelangen. Lasst euch davon nicht täuschen: Wir sind nicht angepasst. Wir sind immer noch stinkwütend.

Wir wissen, was ihr durchmacht. Wir wissen, dass sexuelle Belästigung ein Teil eures Alltags ist. Und wir erinnern uns noch gut, wie wir mit solchen Dingen umgegangen sind: Wir haben versucht, es mit Humor zu nehmen, auch wenn das völlig unangebracht war. Wir haben darüber gesprochen, aber nur mit anderen Frauen, um sie zu warnen. Wir sind weggelaufen oder haben weitergemacht. Aber wir haben uns viel zu selten gewehrt.

Ihr seid die Generation, die sich lautstark wehrt. Das kostet viel Kraft und Überwindung, auch euch. Aber ihr macht es trotzdem. Wahrscheinlich seid ihr die Generation, die es schafft, das Patriarchat abzuschaffen. Wir glauben an euch – vielleicht mehr als ihr selbst. Und falls ihr es nicht schaffen solltet: Dann seid ihr die besten Vorbilder für jene, die nach euch kommen.

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