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Dart wird in Berlin beliebter.

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Dürfen sich Spieler zu Antifaschismus bekennen?: Ein Trikot-Spruch spaltet die Berliner Dart-Szene

Weil Spieler den Slogan „Dartista, Dartista, Antifascista!“ auf ihren Hemden tragen, droht der Verband mit harten Strafen. Die Begründung macht es noch schlimmer.

In ihrer Klasse, der Bezirksliga B, haben sie diese Saison dominiert. Mit fünf Punkten Vorsprung sind sie uneinholbarer Spitzenreiter – der Aufstieg in die Oberliga ist ihnen gewiss.

Doch die meiste Aufmerksamkeit erhalten die Dartspieler des Vereins „ADV Zebras Berlin“ aktuell nicht für ihre sportlichen Erfolge. Sondern wegen eines bizarren Dramas, das seit Wochen zu massiven Verwerfungen im Ligabetrieb dieser immer populärer werdenden Nischensportart führt. Es ist ein Drama, das vor allem den organisierenden Landesverband schlecht aussehen lässt und in dessen Mittelpunkt die Frage steht: Dürfen sich Dartspieler zu ihrem Antifaschismus bekennen?

Der Verein der Zebras existiert erst seit einem Jahr. Er zählt zu einer Reihe neuerer Klubs, die in Berlin mit dem angestaubten Image des Dartsports brechen und ihn auch für Jüngere attraktiv machen wollen. Das bringt zwangsläufig Konflikte mit sich. Einer davon ist nun eskaliert.

Im November wurde dem Verein telefonisch mitgeteilt, Kontrahenten hätten sich über einen Spruch beklagt, den die Zebras vor Beginn jedes Wettkampftages vereint rufen. Solches Sprücherufen ist im Amateursport verbreitet, manche Vereine haben sich so Erkennungszeichen geschaffen. Spieler des Vereins „Wolves DC“ heulen vorab wie Wölfe.

Der Slogan der Zebras lautete „Dartista, Dartista, Antifascista“. Dies sei verboten, weil politisch, mahnte Susanne Balz, die Präsidentin des Dartverbands Berlin (DVB), am Telefon. Um den Frieden zu wahren, verzichteten die Zebras fortan auf ihren Spruch. Der Konflikt hätte an dieser Stelle beendet sein können. Doch er ging erst richtig los.

Was steht in der Satzung und was nicht?

Im Februar gab der Verband dann überraschend bekannt, dass die Zebras ihre Parole ab sofort auch nicht mehr klein auf der Rückseite ihrer Trikots tragen dürften. Was die Mannschaft verwunderte, schließlich habe ihnen Verbandspräsidentin Balz bei ihrem Telefonat im November noch versichert, die Trikots stellten kein Problem dar. Eine Anfrage des Tagesspiegels, ob dies zutrifft, beantwortet Susanne Balz nicht.

Der Verband jedenfalls blieb stur und veröffentlichte auf Facebook konkrete Anweisungen zur praktischen Umsetzung des Verbots: „Wer beim Gegner politische Statements auf dem Trikot entdeckt, weist diesen bitte darauf hin, dass sie entweder ein anderes T-Shirt anziehen müssen oder die entsprechenden Bereiche auf dem Trikot abgedeckt werden müssen. Dafür ist eine Zeitspanne von zehn Minuten einzuräumen.“ Sollte der ermahnte Spieler sich weigern, werde dessen Spiel automatisch als Niederlage gewertet.

So einen Blödsinn hab ich ja noch nie erlebt.

Zitat eines wütenden Verbandsmitglieds

Der Vorstand des Landesverbands beruft sich dabei auf Paragraph 2, Absatz 3 der eigenen Satzung. Dort heißt es allerdings lediglich, der Verband sei „politisch und konfessionell neutral“. Dass dies gleichzeitig beinhaltet, dass sich Spieler antretender Vereine auf ihren Trikots nicht politisch äußern dürfen, gilt auch innerhalb des Berliner Verbands als gewagte bis abenteuerliche Interpretation.

Zudem vertreten die Zebras die Auffassung, dass es sich bei „Dartista, Dartista, Antifascista“ nicht einmal um ein dezidiert politisches Statement handle. In einer Stellungnahme beziehen sie sich auf den Verfassungsschutz, der schreibt: „Ein bürgerlich-liberal geprägter Antifaschismus tritt für den Erhalt von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein und beinhaltet den Kampf gegen Neonazismus und Rechtsextremismus.“

Und weiter: „Für uns stellt Antifaschismus eine klare demokratische Haltung dar, die Weltoffenheit, Vielfalt, Antidiskriminierung, die Befürwortung der Menschenrechte und nicht zuletzt Gewaltfreiheit beinhaltet.“ Das sei in keiner Weise linksextrem oder ideologisch, sondern entspreche einem parteiübergreifenden Konsens und spiegele sich auch im Grundgesetz der Bundesrepublik wider.

Der Verband klagt über „Unruhe“ in der Liga

Mittlerweile bekommen die Zebras Unterstützung von anderen Vereinen. Der „RAY’s DC Berlin“ etwa hat einen offenen Brief publiziert, in dem er antifaschistische Bekenntnisse nicht nur begrüßt, sondern auch die Kommunikation des Landesverbands kritisiert und diesem Intransparenz vorwirft.

Beim Verband kam dies gar nicht gut an. Zwei Tage später antwortete dieser genervt auf seiner Homepage: „Bitte hört auf, uns diesbezüglich belehren oder umstimmen zu wollen. Es ist nicht schön, Unruhe in die Liga oder den Verband zu bringen.“  Ein persönliches, auf Bitten der Zebras zustande gekommenes Gespräch zwischen den Zebras und Vertretern des Verbandsvorstands machte die Situation nicht besser: Bei dem Treffen drohte der Landesvorstand den Zebras offen mit einem Ausschlussverfahren – und zwar nicht bloß für den Fall, dass die Zebras noch einmal ihre Trikots tragen, sondern auch für jenen, dass der Verband weitere Presseanfragen zu diesem Thema erhalten sollte. Für diese Drohung gibt es mehrere Zeugen. Die Presseanfrage des Tagesspiegels an Verbandspräsidentin Susanne Balz, ob diese Darstellung zutrifft, beantwortet diese nicht.

Auf Facebook ist es am schlimmsten

Vollkommen eskaliert ist die Diskussion unterdessen in der 600 Mitglieder zählenden Facebookgruppe des Verbands. Dort üben linientreue Dartspieler harsche Kritik an den Zebras. Einer schreibt: „Man hat das Gefühl, dass die Zebras den Verband kaputt machen wollen mit ihren Anschuldigungen. Ich lasse mir jedoch meinen Spaß von so einer Minderheit nicht nehmen.“ Ein anderer schreibt: „So einen Blödsinn hab ich ja noch nie erlebt.“

Der Spieler eines Konkurrenzvereins, der das Geschehen von Beginn an verfolgt, sagt am Telefon: „Das Verhalten des Verbands und insbesondere dessen Kommunikation über Facebook ist so ziemlich das Boomerigste, das ich seit langem erlebt habe.“ Der Vorstand agiere ungeschickt und selbstgerecht: „Man hat das Gefühl, da müssen sich Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem gesellschaftlich relevanten Thema befassen und machen dann alles falsch.“ Vor allem wirke der Verbandsvorstand auch „extrem unberaten“.

Die Zebras haben dem Verband nun einen Vorschlag zur Schlichtung unterbreitet. Bis Ende dieser Woche wurde ihnen eine Antwort zugesichert.

Verbandspräsidentin Susanne Balz hat unterdessen die Mitglieder anderer Vereine zu einem Treffen geladen, allerdings nicht in ihrer Funktion als Präsidentin, sondern als Vize ihres Klubs „Hard Lines Berlin“. Thema des Abends: „Austausch zur Verbandsproblematik“. Es gebe da „verschiedene Sachen“, die sie besprechen müsse, heißt es in der Mail. Die Zebras und andere Verbandskritiker wurden nicht eingeladen.

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