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Das Palais Schwerin am Molkenmarkt 3 auf einem um 1880 entstandenen Stich. Damals wurde der ehemalige Adelssitz vom Königlichen Kriminalgericht und der Polizei genutzt.

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Mauern mit Geschichte: Vom Adelssitz zum Haus für die Jugend: Ein Buch über das Palais Schwerin

Seit dem frühen 18. Jahrhundert steht das Palais des Grafen von Schwerin am Molkenmarkt. Es war prachtvolles Wohnhaus, Behördensitz, Gerichtsgebäude, Firmensitz, Münzamt, Ministerium und dient nun der deutsch-französischen Freundschaft

Warum eigentlich „Molkenmarkt“? Für den Namen gibt es widersprüchliche Deutungen. Erinnert er an die „Mollen“, niederdeutsch für Mühlen, die einst am nahen Mühlendamm und der Mühlendammbrücke standen? Oder an die längst verschwundene Mühlenhofmeierei? War womöglich Katharina von Sachsen verantwortlich, Ehefrau von Kurfürst Friedrich II. („Eisenzahn“), die auf dem Markt den Verkauf von Molkereiprodukten der kurfürstlichen Meiereien angeordnet haben soll? Die lebte freilich im 15. Jahrhundert, als noch der Name „Olde Markt“ gebräuchlich war. „Mulkenmarkt“ kam erst gegen Ende des 17. Jahrhundert auf.

Aber von einem Haus, und sei es auch noch so alt, kann man nun mal kein präzises historisches Wissen verlangen. Es ist also nur recht und billig, wenn sich das Palais Schwerin, Molkenmarkt 3, in dieser Detailfrage seiner Erinnerungen trotz Favorisierung Katharinas nicht ganz festlegt.

Das Haus erzählt seine Geschichte

Ein Haus als sein eigener Biograf mag erstaunen, aber man gewöhnt sich schnell an die Erzählperspektive der Historikerin Johanna A. Kühne, der eigentlichen Autorin des bei BeBra erschienenen Buches über das Palais Schwerin. Gewählt wurde sie mit Blick auf die vor allem angestrebte junge Leserschaft, aber man sollte sich davon auch als Erwachsener, interessiert an Berliner Stadtgeschichte, nicht abschrecken lassen. Schließlich hat zuvor „niemand die Chronik dieses Hauses niedergeschrieben“, in der sich doch, wie es im Vorwort heißt, „die Geschichte einer sich über die Jahrhunderte wandelnden Gesellschaft und Stadtlandschaft“ entfalte.

Anders als der Straßenname ist der des Palais eindeutig zuzuordnen, geht auf den Bauherrn Otto Graf von Schwerin zurück, der sich um 1704 von dem hugenottischen Architekten Jean de Bodt zwei benachbarte einfache Wohnhäuser zum Adelspalais umbauen ließ. 1701 war er in den Schwarzen Adlerorden, gestiftet von Friedrich I. anlässlich der neu gewonnenen Königswürde, aufgenommen worden. Dessen steinernes Wappen über dem Haupteingang hat alle Zeitläufte überstanden.

Repressionen der Nazis gegen die jüdische Tischlerei

Die waren teilweise ziemlich turbulent. Der Graf selbst hatte kaum etwas von seinem Prachthaus, starb wenige Jahre nach der Fertigstellung. 1762 wurde es an den Staat verkauft, nahm erst die Königliche Tabakadministration, später das Kriminalgericht samt Polizeibehörde auf. 1899 zog als Mieter eine Möbeltischlerei ein, ein lange Zeit florierendes Unternehmen mit jüdischen Besitzern, die später unter den Repressionen der Nazis zu leiden hatten und 1938 aufgeben mussten. In der Passage über diese Möbeltischlerei, von Johanna A. Kühne gemeinsam mit Christoph Kreutzmüller geschrieben, wechselt die Erzählperspektive vom doch etwas kindlichen Plauderton des Hauses zum nüchternen Referieren der Fakten durch das Historikerteam, was hier der traurigen Materie auch angemessener ist.

Das Gebäude kam 1937/38 wieder in staatliche Nutzung, wurde entkernt und Teil der es nun flankierenden Reichsmünze. Die hochherrschaftliche Anmutung seiner Fassade bewahrte es davor, wie viele andere Häuser der Umgebung gleich ganz abgerissen zu werden.

Wolf Biermann im „gelben Elend“

Den Krieg verschonte das Palais, in das 1952 die später zum Kulturministerium beförderte Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten einzog - für Künstler wie den 1976 ausgebürgerten Wolf Biermann ein Ort der Repression, das „,gelbe Elend’ der Kultur“, das er erst im Dezember 1989 wieder betrat.

Gerade noch ein Ort der Täter wurde das Palais zu einem der Aufarbeitung ihrer Taten: Von 1992 bis 2000 war hier eine Abteilung der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR untergebracht, gefolgt von dem noch heute dort ansässigen Deutsch-Französischen Jugendwerks. Deutsch-französisch hatte die Geschichte des Palais Schwerin begonnen, ebenso binational dauert sie an.

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