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Medien: 10 Jahre "Super Illu": Wildwest im Osten

Eigentlich waren die Skispringer schuld. Als sie im Winter 1989/90 um die Wette flogen, da riefen Reporter im Fernsehen: "Die sind super, einfach super.

Eigentlich waren die Skispringer schuld. Als sie im Winter 1989/90 um die Wette flogen, da riefen Reporter im Fernsehen: "Die sind super, einfach super." Helmut Markwort, damals an der Sebaldus-Mediengruppe beteiligt, hörte hin und meinte, das Wort des Jahres gefunden zu haben: Super. Daraus müsste sich was machen lassen.

Ähnlich euphorisch erlebte der Münchener Verleger Hubert Burda die Wendezeit. Als die Mauer fiel, sah er im Osten einen riesigen, ungesättigten Markt. Gemeinsam mit der Sebaldus-Gruppe wollte er etwas Neues auf die Beine stellen: ein buntes Blatt für alle Ostdeutschen, die sich nach westlichem Glanz sehnten.

Der dritte im Bunde war Jochen Wolff, Chef des Düsseldorfer Regenbogen-Blattes "Neue Welt". Er sollte das Unternehmen "Super" in die Tat umsetzen. Also schaute er sich nach einem Gebäude um. Fündig wurde er im Haus der DDR-Nachrichtenagentur ADN in Berlin-Mitte, dessen Wände noch den Staatssozialismus atmeten. Von Stund an wehte ein neuer Wind: beherrschende Themen waren Westprodukte, Urlaubsreisen und Sex, Sex, Sex. Und das Blatt, das damit gefüllt wurde, hieß "Super Illu".

Heute vor zehn Jahren, am 23. August 1990, wurde die erste Ausgabe verkauft. Zum Schnupperpreis von 50 Pfennigen informierte sie über Gebrauchtwagen und Stellungen beim Sex. Das Magazin wurde mit Trabbis in die Provinz geliefert und dort aus Kofferräumen heraus verkauft. Es fand reißenden Absatz. "Wir wussten, was die Leute lesen wollten", sagt Wolff stolz. Und er zählt die Fragen auf, die seine Kunden damals bewegten: Wie werde ich meinen Wartburg los? Wie komme ich in die Alpen?

Inzwischen kostet die "Super-Illu" 1 Mark 90, die kirchliche Sebaldus-Gruppe hat sich wegen des "Schmuddel-Images" längst verabschiedet, an dem Blatt verdient Burda allein. Doch Sex-Geschichten sind - mit Ausnahme eines nackten Mädchens auf den hinteren Seiten - verschwunden. Stattdessen gibt es Homestories über Schlagerstars und Interviews mit Politikern. Ein Drittel des Heftes besteht aus Service - von der Gartenpflege bis zum Mietvertrag. Jeder Sechste in Ostdeutschland will das Woche für Woche lesen. Mit einer verkauften Auflage von 583 987 Exemplaren hat "Super Illu" im Osten ein Monopol. Das Krawallblatt ist zum Magazin für Jedermann geworden.

Über 70 Redakteure sitzen im ADN-Gebäude und schauen auf die triste Mollstraße. Doch im Großraumbüro erinnert nichts mehr an die Anfangszeit. Anfangs gab es im von Kakerlaken unterwanderten Plattenbau gerade mal einen Telefonanschluss. Zum Recherchieren mussten Redakteure zu einer Telefonzelle in den Westteil Berlins fahren. Oder direkt zu den Gesprächspartnern. Die Blattmacher waren auch ständig unterwegs - die Druckerei saß in Offenburg, die Layout-Abteilung in München. "Wildwest war das", erzählt Wolff, "Wildwest im Osten".

Inzwischen bewegt sich die "Super Illu" in ruhigem Fahrwasser. Ihre Marktposition erlaubt es den Machern, politischer zu sein. Arbeitslosigkeit ist das Top-Thema, aber auch der im Osten verbreitete Rechtsextremismus. "Das Thema wurde in der DDR vernachlässigt", sagt Wolff, "jetzt müssen wir trommeln, damit die Leute nicht wegschauen". Manchmal geht das auch daneben. Eine Unterschriftenaktion der "Super Illu" gegen Rechts vor einigen Jahren endete mit Protesten der Leser. "Vielleicht war die Gesellschaft noch nicht reif dafür", meint Wolff.

Ein Schlagwort will der Oberpfälzer nicht gelten lassen: "Ostalgie". Natürlich habe die "Super Illu" vergessene Ost-Stars wie Herbert Köfer und Frank Schöbel wieder ausgegraben. Doch Wolff sieht darin nur eine Renaissance der Unterhaltung. "Es beschwert sich auch keiner, dass im Westen noch Tony Marschall gehört wird", erregt er sich. Gestikulierend läuft der 51-Jährige durch sein Büro und redet von der "gleichen Augenhöhe", auf der sich West und Ost begegnen müssten. Kein Wunder, dass die "Super Illu" regelmäßig Erfolgsgeschichten zwischen Elbe und Oder publiziert. Serien wie "Ich habe es geschafft" durchziehen das Blatt.

Die "Super Illu" hat ihren Platz gefunden - gestützt auf die Programmzeitschrift "Super TV", das MDR-Magazin "Super Illu TV" und den Online-Auftritt super-illu.de. Die ostdeutschen Stars hält sie mit dem Preis "Goldene Henne" bei Laune, ihren Lesern schickt sie Werbe-Flugzeuge an die Ostsee. Die gefloppte "Super"-Zeitung ist fast vergessen. Nun will sich das Blatt westwärts orientieren - mit besserem Papier und höherem Umfang. Wolff will ganz nach oben, in die Liga von "Stern" und "Bunte". Eine "führende, gesamtdeutsche Illustrierte" - das ist sein Ziel für die nächsten zehn Jahre.

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