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Medien: Allein gegen Deutschland

Michael Gordon, Enthüller der angeblichen BND-Verstrickung, greift Medien an

Der Rollenwechsel macht ihm hörbar zu schaffen. Michael Gordon ist normalerweise nicht Ursache politischer Aufregung, er berichtet darüber. Sein Arbeitsplatz ist nicht das Rampenlicht, sondern sein Büro im Zentrum Washingtons – die genaue Adresse möge man bitte nicht schreiben nach den jüngsten Erfahrungen. Dort liest er viel, um Hintergründe auszuleuchten, auch viel geheimes Material. Im Fernsehen ist er selten zu sehen – abgesehen von einer Tschetschenien-Reportage für CNN vor wenigen Jahren. Am Montag standen plötzlich unzählige deutsche Fernsehteams vor seiner Bürotür, „unangemeldet“, sagt er ein wenig indigniert. Und man versteht: Er hätte sich lieber verabredet.

Das alles muss erst mal heraus, bevor man ihm eine Frage stellen kann, und auch noch der Schlüsselsatz: „Ich habe keine deutsche Agenda. Ich interessiere mich für Irak.“ Am Montag hatte der 55- jährige Chefmilitärkorrespondent der „New York Times“ in einem großen Artikel über heimliche Helfer der USA im Irakkrieg aus einer vertraulichen Pentagon-Studie berichtet: Der Bundesnachrichtendienst (BND) habe Saddam Husseins Verteidigungsplan beschafft und einen Monat vor dem Irakkrieg an die USA übergeben. In Berlin schlug das wie eine Bombe ein. Kanzler Schröders Behauptung, seine Regierung habe den Krieg nicht unterstützt, wackelt seit Monaten. Folgt jetzt ein Untersuchungsausschuss?

Die deutschen Reaktionen gehen Gordon an die Berufsehre. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nannte die Darstellung „falsch“, mehrere Politiker vermuteten finstere Absichten: eine Kooperation Gordons mit Teilen der US-Regierung oder der CIA, um die Bundesregierung zu diskreditieren. „Diese deutschen Verschwörungstheorien“ nennt Gordon „absurd“ und „durch die Entstehungsgeschichte meines Artikels widerlegt“. Wäre es „mir um einen Skandal gegangen, hätte ich im Dezember über die BND- Leute in Bagdad berichtet, als die deutsche Öffentlichkeit davon noch nichts wusste“. Seit vielen Monaten liege ihm die Pentagon-Studie vor. Sie wurde im Frühjahr 2005 verfasst, könne also nicht auf die aktuelle deutsche Debatte zielen.

Den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung erklärt Gordon so. Zwei Jahre hat ihn die „New York Times“ beurlaubt, damit er mit Bernhard Trainor, einem pensionierten General der US Marines, ein Buch schreiben kann: „Cobra II. The Inside Story of the Invasion and Occupation of Iraq“. Fast fünf Monate war er 2003 „embedded“ mit den US-Truppen im Irak. Auch über den ersten Golfkrieg haben die beiden ein Buch verfasst, „The Generals’ war“. Am 14. März soll das neue Buch erscheinen. Seit 14 Tagen ist er wieder im Büro und berichtet Details daraus in Artikeln. Politische Absichten verfolge er damit nicht. „Ich habe nur präzise aus einem Bericht zitiert, den Militärs im Frühjahr 2005 verfasst haben.“

Überhaupt diese Vorstellung: Ausgerechnet die „New York Times“, die gegen den Irakkrieg sei und Präsident Bush äußerst kritisch sehe, soll sich von der US-Regierung einspannen lassen? In den USA sei Deutschlands Verwicklung kein Thema. In der Tat hat keine andere US- Zeitung über den Konflikt mit der Bundesregierung berichtet. „Die US-Regierung ist nicht glücklich über meinen Bericht, sie hat ihn nicht unterstützt.“

Gemessen daran verteidigt die Zeitung ihren Bericht auffallend offensiv: Der Chefredakteur geht persönlich an die Öffentlichkeit mit weiteren Zitaten aus dem Bericht. Mit Glaubwürdigkeitsproblemen aus der Vergangenheit – den falschen Berichten über Saddams Massenvernichtungswaffen, erfundenen Storys des Reporters Jayson Blair, der Judy-Miller-Affäre – habe das nichts zu tun, sagt Gordon und wird ärgerlich. „Wir wollen der deutschen Öffentlichkeit nur alle wichtigen Informationen geben.“

„Ironisch“ findet Gordon die Reaktionen. „Die USA machen sich sonst viel zu wenig Gedanken über die Hilfe ihrer Verbündeten. Nun wird deren Rolle einmal ausdrücklich in einem Pentagon-Bericht beschrieben und gelobt, aber die Deutschen wollen es nicht wahrhaben.“

Über die Behauptung von „Spiegel online“, er habe angeblich im Gespräch angedeutet, die ihm vorliegende Version des Pentagonberichts könne inaktuell sein, ärgert er sich. „Das habe ich nicht gesagt.“ Zwar werde der Bericht intern „weiter geschrieben“, aber „ich habe keinen Anlass, an meiner Darstellung zu zweifeln. Das Pentagon hat kein Detail für falsch erklärt.“ Er bleibt bei seiner Darstellung. Auf der Skizze des Verteidigungsplans stehe als Quelle „German HumInt“ – „human intelligence“ bedeute deutsche Geheimdienstler. Ein BND-Liaisonoffizier in Katar habe das Material an die „J 2 division“ im Hauptquartier des US-Befehlshabers Tommy Frank übergeben. Die deutschen Medien sollten ihre Arbeit machen und ihre Regierung kontrollieren – und nicht so tun, als sei seine Berichterstattung der Skandal.

20 Jahre ist er bei der „Times“, war Korrespondent in Moskau und London, berichtete aus mehreren Kriegen. Ach ja, er hatte schon einmal einen Konflikt mit Deutschland. Es ging um Libyens Chemiewaffenpläne und die deutsche Verwicklung in Rabta. Am Ende ist er für den Artikel ausgezeichnet worden.

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