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Schalten sie gerade das Internet ab? Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zu Besuch auf der Cebit in Hannover.

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Anti-Piraterie-Gesetze: Die Lex Sarko

Frankreich hat seit 2009 ein strenges Anti-Piraterie-Gesetz, die gefürchtete "loi Hadopi", die sogar Netzsperren als Strafen vorsieht. Verhängt wurden sie noch nie, allerdings ist auch der Nutzen weiter umstritten. Ein Zwischenbericht.

Paris - Auch in Frankreich kennt man die Parabel vom Frosch im Topf. Nimmt man einen Topf mit kochendem Wasser und wirft einen Frosch hinein, wird er hinaushüpfen und das Weite suchen. Nimmt man aber kaltes Wasser, legt den Frosch hinein und erhöht langsam die Temperatur, merkt es der Frosch nicht und verendet. Dieses Gleichnis gebraucht Jérémie Zimmermann, um zu beschreiben, wie Frankreich seiner Meinung nach immer stärker in die Freiheit seiner Bürger eingreift. „Grad für Grad erhöhen sie die Temperatur und die Leute bemerken es gar nicht.“

Jérémie Zimmermann ist einer der fünf Gründer der Organisation „La quadrature du net“, die sich für Bürgerrechte und Freiheit im Netz einsetzt. Die Gruppe gründete sich Anfang 2008, ein gutes halbes Jahr nach der Wahl von Nicolas Sarkozy. Und das ist kein Zufall. Bereits im Wahlkampf hatte Sarkozy mit Sätzen wie: „Illegale Downloads sind ein Skandal“ und „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ auf sich aufmerksam gemacht. Und in der Tat wurde auf Initiative des neuen Präsidenten bald ein Gesetz gegen Urheberrechtsverletzungen verabschiedet: Hadopi. Eine gleichnamige Behörde wacht seither über die Einhaltung von Urheberrechten und sorgt durch ein Dreistufenverfahren (Three Strikes) für Aufsehen. Wer illegal Musik oder Filme herunterlädt, erhält zunächst eine Verwarnung. Wiederholt sich das Vergehen innerhalb der nächsten sechs Monate, folgt eine zweite, und schließlich, nach dem dritten Verstoß der Hinweis, dass es zur Anzeige kommen kann. Es drohen 1500 Euro Strafe und ein Monat Internetsperre. Letzteres hat, angetrieben von „La quadrature du net“, einen Proteststurm ausgelöst. „Viele Leute, die apolitisch waren, sind seither sehr aktiv“, sagt Zimmermann. Leute wie er, 33, krauses schwarzes Haar, große Brille, Kapuzenpulli. „Im Namen des Urheberrechts werden die Bürgerrechte im Internet Schritt für Schritt eingeschränkt“, sagt er. Kinderpornografie bekämpfen? „Klar, da sagt jeder: Das ist eklig, also ist das Gesetz okay. Aber was kommt als Nächstes?“ Die Instrumente, die Frankreich im Kampf gegen illegale Downloads einsetzten, seien die gleichen, die China, Pakistan oder Iran zur politischen Zensur verwende. „Auch wenn ich nicht glaube, dass Frankreich sich in Richtung einer Diktatur entwickelt, ist das beunruhigend“, sagt Zimmermann. Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat Frankreich als erstes EU-Mitglied auf die Liste der Länder „unter Beobachtung“ gesetzt, Länder, die „beunruhigende Zensurmaßnahmen ergriffen haben, die leicht missbraucht werden könnten“. Zu einer Änderung der französischen Politik hat das nicht beigetragen. Im Gegenteil. Sarkozy plant, die Drohung mit Netzsperren auf das „Streaming“ auszuweiten, obwohl Reporter ohne Grenzen rügte, beim Internetzugang handele es sich um ein Grundrecht.

Die Behörde sagt, die illegalen Downloads seien um ein Drittel zurückgegangen

Faktisch ist es noch nie zu Netzsperren gekommen. Die dritte Warnung wurde seit Inkrafttreten von Hadopi im Oktober 2010 lediglich 165 Mal verschickt, obwohl 822 014 die erste Mail und immerhin noch 68 343 die zweite Verwarnung erhalten haben. Zur Anklage kam es bisher nicht. „Sie haben keine Beweise“, vermutet Zimmermann. Die zuständige Behörde kontert, darauf komme es auch nicht an. Das Gesetz solle eine pädagogische Wirkung haben: „Die Internetnutzer sollen verstehen, dass sie ihr Verhalten ändern müssen“, sagt Hadopi- Chefin Marie-Françoise Marais. Einer Hadopi-Studie zufolge geben 44 Prozent der Internetnutzer an, ihr Downloadverhalten aufgrund der neuen Gesetzgebung geändert zu haben. Sarkozy selbst sagte im November, seit der Einführung des Gesetzes seien illegale Downloads um 35 Prozent zurückgegangen.

Jérémie Zimmermann hält das für realistisch, hat jedoch eine andere Erklärung: „Das heißt 35 Prozent mehr für Streamingseiten und Seiten, die Hadopi nicht mal kennt. Es gibt so viele Ausweichmöglichkeiten im Internet.“

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