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Jakob Augstein weist die Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihn als Diffamierung zurück.

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Update

Antisemitismus-Vorwürfe: Zentralrat der Juden springt Augstein bei

Darf Jakob Augstein als Antisemit bezeichnet werden? Über diese Frage ist eine hitzige Debatte entbrannt. Während das Simon-Wiesenthal-Zentrum gegen Augstein nachlegt, bekommt der Publizist nun Unterstützung vom Zentralrat der Juden in Deutschland.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, hat sich vom Antisemitismus-Vorwurf gegen den Journalisten und Verleger Jakob Augstein distanziert. Das amerikanische Simon-Wiesenthal-Zentrum habe bei seiner Kritik an Augstein offensichtlich nicht genügend recherchiert oder sich kundig gemacht, kritisierte Korn am Freitag im Deutschlandradio Kultur. „Offensichtlich ist das Simon-Wiesenthal-Center ziemlich weit weg von der deutschen Wirklichkeit.“

Die US-Menschenrechtsorganisation hatte Augstein wegen Israel-kritischer Äußerungen auf ihre Liste der zehn schlimmsten Antisemiten der Welt gesetzt. Sie sei damit in das Fahrwasser des Publizisten Henryk M. Broder geraten, der als Polemiker bekannt sei, erklärte Korn. „Man kann nicht immer alles wörtlich nehmen, was er sagt, und man kann auch nicht immer alles ernst nehmen, was er sagt.“ Broder hatte Augstein als einen „lupenreinen Antisemiten“ bezeichnet. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hätte besser daran getan, Broder hier nicht zu folgen, sagte Korn.

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum bekräftigte am Donnerstag die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Augstein. „Nur weil er ein Journalist ist, geben wir Herrn Augstein keinen Freibrief, zu sagen, was er will und sich dann hinter journalistischer Integrität zu verstecken. Seine Aussage hat keine Richtigkeit, es gibt keine Basis dafür“, sagte Rabbi Abraham Cooper vom Simon Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles der Nachrichtenagentur dpa.

Als Beleg für die Aufnahme Augsteins listet die nach dem Holocaust-Überlebenden und Nazi-Jäger Simon Wiesenthal benannte Organisation mehrere Zitate Augsteins auf, darunter eine Äußerung, in der der Journalist eine Gruppe von ultraorthodoxen Juden in Israel, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmachten, mit islamischen Fundamentalisten vergleicht.

Wenn man das Bild von islamischen Extremisten heraufbeschwört, deren wesentlicher Beitrag zur Welt aus Selbstmordbombenanschlägen, Extremismus und Hass besteht, und dann eine gesamte religiöse Gemeinschaft nimmt und sie so stereotypisiert, dann hat das nichts mehr mit Journalismus zu tun. Damit wird eine Grenze überschritten“, sagte Cooper. Die Tatsache, dass es nun in Deutschland eine Debatte und eine Diskussion um diese Sache gibt, sehe er als Pluspunkt.

Der Sohn des „Spiegel“-Gründers Rudolf Augstein selbst sprach von Diffamierung und verteidigte seine umstrittenen Kolumnen auf Spiegel Online als kritischen Journalismus. Henryk M. Broder wies diese Darstellung im Gespräch mit dem Tagesspiegel zurück. „Das, was Jakob Augstein betreibt, ist kein kritischer Journalismus, sondern Ausdruck seiner eigenen, ressentimentgeladenen Selbstdarstellung. Im besten Fall schlechte Literatur.“ Seine Kritik an Augstein verschärft Broder weiter: „Augstein sieht sich als kritischer Journalist, so wie sich ein Pädophiler als Kinderfreund ansieht. Auf die Selbstwahrnehmung kommt es dabei nicht an.“ Auch angesichts der großen, öffentlichen Unterstützung für Augstein rückt Broder nicht von dieser Position ab.

Michel Friedman, TV-Moderator und ehemaliger Vizepräsident des Zentralrats der Juden, warnte im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Ich halte die Israel-Kritik von Jakob Augstein für überzogen, falsch und unverhältnismäßig polemisch. Aber mir machen die sichtbaren Antisemiten, die braunen Mörder, die Terroristen und die hellbraunen Nazis auf Cocktailempfängen mehr Sorgen. Wenn einer 2012 wegen antisemitischer Israelkritik aufgefallen ist, dann Günter Grass mit seinem furchtbaren Gedicht. Und der hat weitaus mehr Einfluss als Jakob Augstein. Dennoch: Weder Grass noch Augstein gehören auf so eine Liste.“

Auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner und Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierten die Entscheidung. Augstein selbst sprach von Diffamierung. Klöckner sagte dagegen, wenn jemand in einer freien Gesellschaft Regierungen kritisiere, sei das sein gutes Recht. „Wenn man daraus Antisemitismus ableitet, dann ist das sehr gewagt.“ Ähnlich äußerte sich Gysi. Augstein sei ein herausragender kritischer Journalist, der
teils berechtigte, teils unberechtigte Kritik an der Politik der israelischen Regierung übe. „Deshalb aus ihm einen Antisemiten schmieden zu wollen, geht völlig fehl und unterstützt den schleichenden Antisemitismus.“ (mit dpa)

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