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War es so? LKA-Beamtin Johanna Stern (Lisa Bitter, rechts) und Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) konfrontieren Joseph und Valerie Sattler (Peter Sattmann und Suzanne von Borsody) mit ihrer Version des Mordes.

© dpa

Vorabkritik zum ARD-Tatort: Der DSK-Skandal aus Ludwigshafen

Der „Tatort“ Ludwigshafen will die Dominique-Strauss-Kahn-Story mit der Frauenförderung verbinden. Das Ergebnis ist provinziell.

Dieser hier heißt Florian Sattler (Peter Sattmann). Er war Ministerpräsident im Südwesten Deutschlands, jetzt ist er EU-Kommissar. Was er immer war und was er immer ist: Ein Mann, bei dem der Reißverschluss niemals Rost ansetzen wird. Sattler ist der sexuell aggressive Mann, der sich in Privatleben und Ehe über alle Grenzen hinwegsetzt, der Frauen als Objekt seiner permanenten Begierde sieht. Gerade hatte er – gegen 400 Euro Bezahlung – Sex mit dem Zimmermädchen Yasemin Akhtar (Naima Fehrenbacher), das kurz darauf im Treppenhaus des Luxushotels zu Tode stürzt.

Fremdverschulden oder nicht, das wird für Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) zur Leitfrage bei den Ermittlungen. Der Schnellmerker unter den Zuschauern wird es da längst bemerkt haben: Florian Sattler ist die „Tatort“-Übersetzung des IWF-Präsidenten Dominique Strauss-Kahn, der dort, wo er glaubte, es sich erlauben zu können, Frauen als Freiwild für seinen Trieb ansah.

Frau Sattler hält unbeirrt zu Herrn Sattler

Im Krimi aus Ludwigshafen ist das um etliche Nummern kleiner. Dafür hatten die Autoren Stefan Dähnert und Patrick Brunken die Potzblitz-Idee, mit Sattler, um Sattler und um Sattler herum eine ganze Armada drängender gesellschaftlicher Fragen zu arrondieren. Sattler – ausgerechnet – will in der EU eine Frauenquote für Unternehmensvorstände durchsetzen. Seine Frau, eine erfolgreiche Anwältin (Suzanne von Borsody) unterstützt ihn darin, vorbehaltlos, wie sie ihn trotz seiner permanenten Luft- und Seitensprünge stets unterstützt hat: „Ich halte zu dir, egal, was du getan hast.“

Valerie Sattler und Lena Odenthal merken schnell, dass Sattler in eine extra für ihn aufgestellte „Honigfalle“ geraten ist. Fällt der Mann, fällt die Frauenquote? Rene Haussmann (Peter Kremer), er ist Vorstandsmitglied jener Holding, der das Luxushotel gehört, ist alles als ein Freund dieser Art von Frauenförderung. Außerdem will er Vorstandschef werden, wie Hotelmanager De Dreusen (David C. Brunners) auf der Karriereleiter klettern will. Es geht männerbündisch zu im Südwesten der Republik.

Das Mann-Mann-Ding, das Mann-Frau-Ding wird im Kommissariat um das Frau-Frau-Ding ergänzt. Es reitet ein Johanna Stern (Lisa Bitter) vom LKA, tough, technikaffin, sie bekommt die Leitung der Ermittlungen übertragen. Das schmeckt der dünnhäutig gewordenen Odenthal gar nicht, es kommt zum Konflikt um Kompetenzen, um Macht und Quote. „Roomservice“, so der Titel der „Tatort“-Folge, macht rüber zum Themen- und Thesenfilm. Das Drehbuch, minutiös quasi im Ablauf des Todessturzes, monumental in den Dimensionen der Ableitungen, vergisst jede Hierarchie des Geschehens, so schwer schwankt es zwischen rheinland-pfälzischer Positionierung und grundsätzlichen Geschlechterpositionen. Oder, ganz einfach: Da wird zu viel gewollt. Oder wird nicht gekonnt. „Männertreu“ mit Matthias Brandt und Suzanne von Borsody waren in den Abgründen von Supermacho und Superwoman unterwegs, Herr und Frau Sattler stolpern durch den Pfälzerwald. Florian Sattler ist mehr getrieben als durchtrieben, Valerie Sattler in ihrer Mischung aus cooler Juristinnen-Raffinesse und unbedingter Loyalität ein interessantes Rätsel, das immerhin. Sattmann und Borsody rücken die Figuren weg von der Pappkameraderie, aber hin zum „House of Cards“-Couple schaffen sie es nicht. Es bleibt alles in allem beim Seufzer von Frau Sattler, ob er, der Herr Sattler, nicht wenigstens einmal seinen Schwanz im Zaum halten könne.

Das Krimi-Personal leidet unter Sprechdurchfall

Ulrike Folkerts zeigt Lena Odenthal im Konflikt mit der jungen LKA-Abgesandten. Auch hier leidet das Krimi-Personal unter Sprechdurchfall, so redselig ist dieser Krimi. Dass Odenthal zudem mehr Wut und Aggression als die Erfahrung betonen muss – Johanna Stern tut haushoch überlegen, ist es aber nicht –, mag dem Einfallsreichtum von Regisseur Tim Trageser geschuldet sein, vor dem Hintergrund des 62. „Tatort“-Falls der Ludwigshafener Kommissarin ist das unnötig, unwürdig, outriert. Folkerts bleibt unter ihren Möglichkeiten. Trageser setzt auf kalte Hotelbilder, grundiert mit Leblosigkeit und der starren Haltung von oben (Gäste: arrogant) und unten (Roomservice: ausgebeutet), die Betonung regiert.

Andreas Hoppe muss als Mario Kopper den Assi von der traurigen Gestalt geben. Lena zieht aus, Lena kommt nicht zum Abschiedsessen, Johanna Stern wird beim LKA ausscheiden und ins Kommissariat einziehen. Beim Assi ist Aufbruch, wo sonst Abbruch ist.

Ein Journalist tritt beim „Roomservice“ auch auf: Wolfgang Schüttler (Jürgen Rissmann). Ich darf dem geneigten Tagesspiegel-Publikum mitteilen, dass es solche Journalisten-Fiktionen nur im Fernsehen gibt. Und das ist, bei allen Schwächen dieses „Tatorts“, ein ganz großer Trost. Der größte.

„Tatort: Roomservice“, ARD, Montag, 20 Uhr 15

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