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Neu möbliert. Anne Will talkt jetzt ganz in Weiß. Foto: Jörg Christiansen/dpa

© dpa

ARD-Talks: Im Gänsemarsch

Neues Studio, neues Konzept: Bei „Anne Will“ am Mittwoch kommen die Gäste nach und nach zum Thema.

Anne Will widersprach nicht. Ja, bestätigte sie, das sei eine „unnatürliche Gesprächsanordnung“. Die 45-jährige Journalistin beginnt ihren Talk künftig nicht im Gesprächskreis, sondern mit einem Einzelgast auf dem bereits bekannten Sofa. Nach und nach werden dann weitere Gesprächspartner in die Runde einbezogen. „Das sind Mitspieler, aber auch Gegenspieler“, sagte Will.

Am kommenden Mittwoch wird das Konzept zum ersten Mal auf seine Tauglichkeit getestet. Dann startet „Anne Will“ auf einem neuen Sendeplatz. Den bisherigen Termin und das bisherige Konzept am Sonntag übernimmt Günther Jauch am 11. September: Ein mehr oder minder politisches Thema wird von vier oder mehr Gästen bearbeitet. Damit hatte „Anne Will“, damit hatten Sendung, Moderatorin und Redaktion ihren Zuspruch, keine Talkshow war erfolgreicher.

Künftig „Anne Will“ am Mittwoch um 22 Uhr 45 nach den „Tagesthemen“,dann mit 75 statt bisher 60 Minuten Länge. Die Moderatorin kündigte beim Pressegespräch am Freitag im Studio in Berlin-Adlershof an, ihre Sendung werde sich generell um Themen von breiter gesellschaftlicher Relevanz kümmern. Das werden die anderen Talks im Ersten und anderswo sicherlich auch.

Das Premierenthema bei „Anne Will“ heißt „Wut im Bauch“, es geht um die Jugendkrawalle in Großbritannien ebenso wie um die brennenden Autos in Berlin und U-Bahn-Schlägereien. Spitzenkoch Tim Raue wird der erste Gesprächspartner sein, „der war in einer Jugendgang, und auch einer, der zugeschlagen hat“. Zu ihm setzen sich und nach der Rapper Sido, der CSU-Politiker Edmund Stoiber, Publizist Christian Nürnberger und dann, quasi zum Finale, die Schauspielerin Veronica Ferres (die sicher nicht unerwähnt lassen wird, dass das Erste am 14. September mit dem Vroni-Film „Sie hat es verdient“ glänzen will).

Moderatorin Will wird es darum zu tun sein, dass nach dem intensiven, personalisierten Eröffnungsgespräch die wachsende Runde das Thema mehr und mehr, doch mit gleicher Intensität facettieren wird. Zum Konzept gehört, dass die „Einwechselspieler“ die Diskussion auf dem Podium bereits in der ersten Zuschauerreihe mitverfolgt haben. Aus der Bewegung der Gäste soll die Bewegung in der Runde erwachsen, zugleich soll sich das Thema fortsetzen und ad personam durch frische Aspekte und Argumente erneuert werden. Das Konzept ist anspruchsvoll, der Ausgang offen, die Akzeptanz beim Publikum wird sich erweisen müssen. Aber das gilt auch für „Günther Jauch“ (neu am Sonntag), für „Hart aber fair“ (neu am Montag), „Menschen bei Maischberger“ (unverändert am Dienstag) und „Beckmann (neu am Donnerstag).

Eine Quotenvorgabe für ihren Talk gebe es nicht, sagte Will. Sie habe aber einen Wunsch: „Wir träumen von eineinhalb bis zwei Millionen. Aber das ist schon ein ganz schönes Stück“. Sie betonte die Chance zum Aufbruch, die im neuen Sendeplatz liegt, und „nicht ängstlich zu sagen, dass wir nichts Neues wagen sollten“. Im leicht dunkler gewordenen Studio – „Anne Will“ mutiert ja zur Sendung mit Endpunkt um Mitternacht – wird einiges gewagt, um für den neuen Talkplatz im Ersten Publikum zu akquirieren. Will geht die Aufgabe mit „großer Freiheit“ an, was auch bedeutet, dass sie nicht mehr unter dem Druck des Sonntagstalks – herausgehoben durch Thema, Strahlkraft und Quotenerwartung – steht. Und zu jedem Konzept gehört die Bereitschaft, es im Fall der Quotenschwäche anzupassen, zu ändern.

NDR-Intendant Lutz Marmor, dessen Sender für drei der fünf ARD-Talks (Jauch, Will, Beckmann) steht, nutzte den Termin, die Fünferbande mit dem Prädikat „Fünf Tage, fünf Könner“ zu versehen. Andere Sender würden ihre Moderatoren öfter auftreten lassen, das sei nicht der Weg der ARD, die mit der Vielfalt ihrer Kräfte zu Qualität und Erfolg kommen wolle. Sie hätten die Zeit, sich zu entwickeln: „Wir haben in jedem Fall Geduld. Auch für Günther Jauch wird die neue Aufgabe eine Herausforderung sein.“ Mamor stellte in Abrede, dass, wie schon kritisiert, die große Talkflut über das Publikum hereinbrechen werde. Die Zuschauer würden sich ihre Runde, ihre Runden suchen, nur Kritiker würden sich jedes Format von Sonntag bis Donnerstag ansehen.

Bei aller Konkurrenz der Moderatoren und Sendungen erwartet ARD-Chefredakteur Thomas Baumann keine größeren Probleme bei der Abstimmung der Themen und Gäste. Auch sei ihm nicht bange, wenn sich bei einem „Oberthema“ wie der Arabellion oder dem Tsunami in Japan mehrere Talks darum kümmern würden. Unvorstellbar ist es für Baumann, dass das neue Programmschema, zu dem auch der einheitliche „Tagesthemen“-Start unter der Woche um 22 Uhr 15 gehört, zu einer schwächeren Resonanz des Ersten Deutschen Fernsehens führt.

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