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Medien: Auf der Schwarzen Liste

In den schmutzigen ungarischen Wahlkampf sind nun auch die Korrespondenten ausländischer Medien hineingezogen worden. Eine regierungsnahe Zeitung hat, angeblich aus eigenem Antrieb, eine Schwarze Liste publiziert.

In den schmutzigen ungarischen Wahlkampf sind nun auch die Korrespondenten ausländischer Medien hineingezogen worden. Eine regierungsnahe Zeitung hat, angeblich aus eigenem Antrieb, eine Schwarze Liste publiziert. Angeführt wird die Reihe der Missetäter von einem britischen Journalisten. Er soll zehn Mal mehr Negatives über Regierung und Land berichtet haben als Positives. Es folgen ein österreichischer und zwei niederländische Kollegen mit Negativ-Faktoren zwischen 6,6 und 7,7. Die deutschen Leser werden demnach vergleichsweise objektiv informiert: Der "Schlimmste" unter den deutschen Korrespondenten, Matthias Rüb von der "FAZ", hat über Ungarn nur doppelt so viel Negatives wie Positives berichtet.

Fraglich bleibt: Was ist "positiv", was "negativ"? Nach welcher Methode wurde ausgewählt? Wer ist die "Kontroll-Gruppe", von der die Zeitung "Magyar Nemzet" die Liste bezogen hat? In wessen Auftrag handelt sie? Solche Listen kursieren in jedem Konzern, jeder Partei. Doch was dort ein internes Instrument zur Regelung von Pressekontakten ist, wird in Ungarn zum politischen Kampfmittel. "Magyar Nemzet" hat inzwischen eine ganze Artikel-Serie gedruckt, in der Auslandsjournalisten beschimpft werden. Da wird etwa ein Niederländer als "klinisch paranoid" bezeichnet. Das Blatt schreibt: "Es wäre ein schwer wiegender Fehler der Regierung, wenn sie nicht alles daran täte, diese Image-Verzerrungen zu korrigieren."

"Magyar Nemzet" und der Autor Istvàn Lovas, aggressivster Verteidiger dieser Schwarzen Liste, sind nicht irgendwer. Die Zeitung hat sich von einem respektablen konservativen Blatt zu einer Art Kampforgan der rechtsbürgerlichen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbàn entwickelt; Lovas ist der selbst ernannte führende Publizist dieses Lagers. Meldungen, er sei Orbàns Berater, dementiert Lovas. Aber er stellt Pressespiegel zusammen. Vor einem Jahr ist Orbàn mit einem Pressespiegel im Parlament aufmarschiert, um zu belegen, wie stark Oppositionelle, also Liberale oder Sozialisten, mit ihren Medienkontakten Ungarn vor der Welt schlechtreden. Auch in der neuen Kontroverse taucht dieses Argument auf: Die Auslandsjournalisten, die von Ungarn kaum Ahnung hätten, befänden sich im Griff der "parasitären" Liberaldemokraten. Orbans Lager will den Ungarn demonstrieren, wie ihr schönes, von der EU gelobtes, patriotisches Land von der Opposition denunziert wird.

Publizist Lovas schreckt auch vor Vulgärem nicht zurück. In seinem "Presseklub" im privaten Fernsehkanal ATV sagte er, das Problem-in diesem Falle mit einem israelischen Journalisten-lasse sich ziemlich einfach lösen: "Eine kleine Kastration, und..."

Lovas streitet jeden Kontakt mit der "Kontroll-Gruppe" ab. Die Liste stamme vielmehr von Studenten mit Interesse an Kommunikationswissenschaft, heißt es. Studenten? Lehrt nicht Lovas an einer katholischen Universität? Und bildet er nicht für das staatliche Fernsehen Journalisten aus? Der Verband der Auslandspresse in Budapest hat inzwischen bei Außenminister Jànos Martonyi protestiert; dieser hat seinen Sprecher antworten lassen, man fühle sich nicht zuständig. In Orbàns Pressebüro heißt es nur, man könne in diesem Fall leider nicht dienen.

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