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Augenringe: Leere vor dem inneren Auge

Bei anderen Spielen haben sie sich immer eingestellt, die besonderen Bilder, diese Olympischen Momente. Von Sotschi gibt es sie nicht.

Haben Sie Lust auf ein kleines Experiment? Ja? Vertrauen Sie mir, es wird nicht wehtun. Schließen Sie einfach kurz die Augen, wenn Sie diesen Absatz zu Ende gelesen haben – Sie haben jetzt so viel ferngesehen in den letzten Tagen, es wird Ihnen bestimmt guttun. Wenn Ihre Augen geschlossen sind, denken Sie bitte zehn Sekunden lang an Olympia in Sotschi, an die vergangenen zwei Wochen, an die nun schon fast beendeten Winterspiele. Fertig? Okay, los!

Sind Sie wieder da? Gut. Was haben Sie gesehen?

Ich habe das Experiment selbst gemacht – es wäre ja auch verantwortungslos, Tagesspiegel-Leser einfach als Versuchskaninchen zu missbrauchen. Ehrlich gesagt war ich überrascht über die Leere vor meinem inneren Auge. Von anderen Olympischen Spielen haben sich Bilder bei mir eingebrannt, die ich nie wieder loswerde. Olympische Momente, einmal gesehen und für immer abgespeichert. Es fällt mir sehr schwer, auch nur einen solchen Moment aus Sotschi heraufzubeschwören, irgendwie liegen die gesamten Spiele wie ein Haufen Sulzschnee vor mir, zäh und matschig und grau.

Natürlich gab es Augenblicke, die den Zuschauer berührt haben, zum Beispiel der Sieg der völlig überwältigten deutschen Skispringerin Carina Vogt. Oder die diversen Stürze und Zusammenstöße, die nicht nur deutsche Sportler um Erfolge und Medaillen brachten. Aber ist Olympia nicht eigentlich mehr? Wo waren das Funkeln, das Flimmern, das Herzklopfen?

Vielleicht lag es aber auch gar nicht an den Spielen, vielleicht lag es an mir. Wie kann ich Olympia genießen, wenn mir die Umstände der Spiele zuwider sind? Wie kann ich mich freuen, wenn auf Gold, Silber und Bronze immer ein Brennpunkt aus Kiew folgt? Sotschi und ich, wir hatten es nicht leicht miteinander.

Wie ging es Ihnen? Lars Spannagel

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