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Medien: Bei Mutter „Courage“

Eine Frauenzeitschrift feiert Geburtstag

Sie hatten kein Geld für das neue Blatt, aber viel Lust, es zu machen. Die Warnungen von Freunden missachteten sie souverän und feierten stattdessen ein Fest, auf dem 5000 Exemplare der Nullnummer verkauft wurden – schon waren die Kosten raus. So entstand vor 30 Jahren in Berlin die linksfeministische Frauenzeitschrift „Courage“. Obwohl sie es auf nur acht Jahre brachte, ist „Courage“ bei ihren Leserinnen bis heute legendär, als intellektuellere, diskussionsfreudigere ältere Schwester von „Emma“, die wenig später auf dem Markt erschien.

Warum „Courage“ das Medium schlechthin der Frauenbewegung wurde, dafür nannten die Macherinnen und ihre Kundschaft beim Geburtstagsfest vor ein paar Tagen in Berlin einen Grund: den ungewöhnlichen Blick auf Frauen und ihr Leben. Christel Dormagen erzählte vom Schock, den ihr ein Artikel von Pieke Biermann versetzte: „Da wurde Prostitution als selbstbestimmter Beruf erklärt, aus dem müsse man nicht befreit werden.“ Barbara Duden, heute Soziologie-Professorin, verdankt „Courage“ die Ablösung vom Elternhaus: „Als meine beherzte, aber auch sehr konventionelle Mutter unser Titelbild mit dem Spekulum, dem Vaginalspiegel, sah, sprach sie lange nicht mit mir. Es kam zum Bruch, den ich nicht weiter erklären musste.“

Buchautorin Sibylle Plogstedt nennt außer dem anderen Blick auch die anderen Themen von „Courage“: „Wir haben zum ersten Mal über Gewalt gegen Frauen geschrieben.“ Das alles, im Unterschied zur „Emma“, wie Moderatorin Magdalena Kemper anmerkt, in „legendärer Offenheit“ (Duden): Irene Stoehr kassierte für Artikel über die Trauer von Frauen nach einer Abtreibung wütende Briefe. Auch an Peinliches erinnern sich die Redakteurinnen: Theweleits Buch „Männerphantasien“ habe man einen blöden Verriss hinterhergeworfen. Die Frauenforscherin Christina Thürmer-Rohr bemerkt, der Anspruch, für alle Frauen zu sprechen, sei unhaltbar, das Schweigen über weibliche Schuld an der Männerherrschaft „eine – entschuldigt – Verlogenheit“ gewesen. Dieser Konsens sei in den 80er Jahren gebröckelt, als eine neue Generation von Historikerinnen etwa über Frauen im Nationalsozialismus geforscht habe.

Für alle war „Courage“ eine „Phase großer Kraft, da war etwas Überbordendes, Ansteckendes“, auch in der Gesellschaft. Insofern sei die Veranstaltung zum 30. Geburtstag kein richtiges Klassentreffen, sagt Christel Dormagen. „Auf Klassentreffen muss man immer schwer angeben, was man geworden ist.“ Die „Courage“-Redaktion ist lieber stolz auf das, was sie gemacht hat.

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