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Medien: Bei Springer herrscht jetzt Friede

Der Zeitungskonzern ist den unliebsamen Großaktionär Kirch losgeworden / Deutsche Bank ermöglicht der Verlegerwitwe die Mehrheit

Karl-Heinz Schmiegelt schaut fragend in die Runde. Doch von den etwa 20 Menschen im Raum „5th Avenue“ im Frankfurter Hilton Hotel rührt sich keiner. Dabei hätte der Notar gerne die Zahlungsfähigkeit möglicher Bieter für den 40-Prozent-Anteil von Leo Kirch am Axel Springer Verlag geprüft. Stattdessen bleibt ihm nichts anderes übrig, als festzustellen: „Ich sehe niemanden, der im Moment als Bieter in Betracht kommt.“

Ganz so stimmt das nicht. Schließlich sind alle Anwesenden Mitarbeiter der Deutschen Bank. Und die hat in der Tat vor, das an sie verpfändete Aktienpaket selbst zu erwerben. Bis die Versteigerung losgehen kann, muss aber zuerst der Kassa-Kurs der Springer-Aktien an der Börse abgewartet werden.

„Es ist das erste Mal, dass so eine Versteigerung durchgeführt wird.“ Ronald Weichert, Sprecher der Deutschen Bank, sagt das fast entschuldigend. Bis kurz vorher hätte die Aktien-Auktion gefährdet werden können – durch einen Insolvenzantrag von Kirchs Print Beteiligungs GmbH, die das Springer-Paket hält. Doch da das nicht geschehen ist, findet die Versteigerung statt. Soweit man bei einem Bieter überhaupt von einer Versteigerung sprechen kann. Die Din-A-5-Schilder mit der Aufschrift „Bieter“ hätte sich der Veranstalter jedenfalls sparen können.

Aber vielleicht kommt ja noch ein Interessent in der verbleibenden Stunde? Herr Ringier zum Beispiel, möglicherweise hat er sich bloß verspätet. Und da vorne, die ältere Dame am Aufzug im Hotel-Foyer? Ist das nicht Friede Springer? Immerhin will sie fünf Prozent plus x des Aktienpakets selbst übernehmen. Doch die Dame entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Hotelgast, der gerade mit dem Frühstück fertig ist.

Nach einer Stunde kehrt der Notar zurück. Nebenan im Raum „Central Park“, in dem sich rund drei Mal so viele Journalisten aufhalten, wird das Szenario auf einer Leinwand übertragen. Schmiegelt teilt mit, dass der Kassa-Kurs für vinkulierte nsaktien der Axel Springer Verlag AG bei 49 Euro pro Aktie stünde. Und dass Gegenstand des freihändigen Verkaufs 13 617 900 vinkulierte Namensaktien seien. „Das ergibt ein Mindestangebot von 667 277 100 Euro. Ich bitte um Ihre Gebote.“ Zwei Herren in der zweiten Reihe heben die Hand. Sie sind, wie alle hier, von der Deutschen Bank.

Auf die klassische Frage des Notars „Wer bietet mehr?“ folgt Stille. Schmiegelt schaut zum zweiten Mal an diesem Tag fragend in die Runde. Es heißt zum Ersten, Zweiten, Dritten – wozu die Zählerei? Der Zuschlag geht an den Einzigen: Die Deutsche Bank ist jetzt Großaktionärin des Axel Springer Verlags.

Mit „Wohlwollen“ hat Springer-Sprecherin Edda Fels alles beobachtet: „Die Verhandlungen mit Ringier werden in Ruhe fortgeführt.“ Falls diese scheitern sollten, könnten die Aktien an der Börse platziert werden. Die Deutsche Bank wird das Stimmrecht jedenfalls nicht ausüben. Gewinnerin des Tages ist die Frau mit der Doppelgängerin im Hilton: Zehn Prozent des Pakets will die Deutsche Bank in Kürze an Friede Springer verkaufen. Dann gehören ihr 55 Prozent an Europas größtem Zeitungskonzern. Und gegen einen unliebsamen Käufer des Restpakets kann sie, das erlaubt die so genannte Vinkulierung, immer noch ihr Veto einlegen. Jutta Heess

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