zum Hauptinhalt

Bessere "Lindenstraße"?: Midlife und andere Krisen

Eine Woche, eine Familie, eine Krise: Die Echtzeitserie „Zeit der Helden“ ist das neue Projekt der Macher von „24h Berlin“.

Das war ein geiler Tag. Der 5. September 2009, der der 5. September 2008 war. Oder jedenfalls ein dokumentarisches Abbild. Mehr als 80 Teams waren im Auftrag von RBB und Arte ausgeschwärmt, um Berlin und Bewohner in Bild und Ton zu erfassen. Ein Jahr später war der September-Tag von 2008 zusammengesetzt: „24h Berlin“. Das Publikum ließ sich mitnehmen auf die Tag-und-Nacht-Reise, die Macher von zero one film und die Sender durften sich im Glanz des Zuspruchs sonnen. So viel gewonnen wie gewagt.

Aus der Erkenntnis, dass Leben im Fernsehen nicht notwendigerweise Fernsehen ohne Leben sein muss, erwächst das nächste Projekt. „Zeit der Helden“, eine Echtzeitserie in der Koproduktion von Südwestrundfunk, Arte und zero one film. Das Projekt hat seine Realisierungsphase bereits hinter sich, jetzt kommt der Feinschliff, die Vernetzung mit Radio und Internet. Ganzheitlich senden, das ist die Devise. In der Karwoche vom 25. bis zum 29. März 2013 ist Ausstrahlung.

Am Donnerstag war zum Werkstattgespräch bei der Berliner Produktionsfirma in Moabit geladen. zero one film, das ist ein Team von 15 Mitarbeitern, die Leitwölfe sind Volker Heise, Regisseur/Dramaturg, und Thomas Kufus, Produzent/Geschäftsführer. Bei „Zeit der Helden“ fließen Erfahrungen aus der Echtzeitdoku „24h Berlin“ und der Simulation „Schwarzwaldhaus 1902“ ein.

„Zeit der Helden“ hat den pompösen Untertitel „40+ oder nie! 5 Tage Midlife und andere Katastrophen“. Heise hatte es prägnanter bei der Hand: „Eine Woche, eine Familie, eine Krise“. Eine Echtzeitserie wird es dadurch, dass es bei Familie Brunner im Rhein-Neckar-Raum und beim Zuschauer 20 Uhr 15 geworden ist. Erzählt wird von Montag bis Freitag in fünf Folgen, in jeweils 45 Minuten plus weiteren 30 Leben am späteren Abend. Erzählzeit und erzählte Zeit sollen sich im Anspruch einer Echtzeitfiktion vermählen. Der Zuschauer erhält eine Mund-zu-Mund-Beatmung, wenn er die Einladung zur Identifikation annimmt.

Die Einladung wird sehr nachdrücklich ausgesprochen. Die Brunners und die weiteren Protagonisten der Fragezeichen in der Lebensmitte stammen aus Typisch-Deutschland. Der Elektroinstallateur Arndt (Oliver Stokowski) ist 46, seine Frau Mai (Julia Jäger) ein Jahr jünger, die 18-jährige Tochter Paulina (Jasna Fritzi Bauer) ist ausgezogen, Sohn Ben (Karl Alexander Seidel) hat bereits mit 14 Jahren ähnliche Pläne. Insbesondere die Eltern sitzen fest in ihrem Leben. Abbruch? Aufbruch? Auch beim benachbarten Ehepaar, Lichtgestalter Gregor, 43 (Thomas Loibl), und Managerin Sandra, 42 (Inka Friedrich), beim gemeinsamen Freund Christoph, 43 (Patrick Heyn), bohrt die Frage: Will ich sein, was ich war? Dieses Fernsehformat will seinen Zuschauern sehr naherücken, sehr nahegehen, Sogwirkung mit Aufsaugfaktor.

Das Ergebnis wurde beim Gespräch nicht vorgeführt. Also widerstreiten sich die Erwartungen: Nur höherwertige „Scripted Reality“ als beim kommerziellen Nachbarschafts-TV, nur eine endlich bessere „Lindenstraße“? Oder doch die Fruchtbarmachung einer prekären Lebensphase für Menschen-Fernsehen?

Die Sender, die Firma, die erstklassigen Schauspieler fern vom Ich-bin-wichtiger-als-die-Rolle-Appeal stehen dafür ein. Von ebenbürtiger Qualität die Drehbuchautoren Beate Langmaack („Hat er Arbeit?“) und Daniel Nocke („Familienkreise“), der Regisseur Kai Wessel („Leben wäre schön“).

„Zeit der Helden“ setzt auf die Überwältigung und die Überraschung des Publikums. Nichts anderes treibt die Vermarktung an. Vor der Ausstrahlung soll es keine Preview, keine Presse-DVDs geben. Die Pssst-Strategie kündet vom Stolz der Verantwortlichen und von der überraschenden Gewissheit, dass Tapferkeit der bessere Teil der Klugheit ist. Auch das eine Innovation. Joachim Huber

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false