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Die Pay-TV-Strategie von Rupert Murdoch ist simpel: Sorge dafür, dass die beliebteste Nationalsportart nur noch gegen Geld zu empfangen ist, und der Erfolg ist – siehe Großbritannien oder Australien – garantiert. Nicht so in Deutschland. Hier muss Sky-Chef Brian Sullivan einen neuen Millionenverlust ausgleichen.

© dpa

Bezahlfernsehen: Außer Atem

Vor zwanzig Jahren ging der Bezahlsender Premiere, der heute Sky heißt, in Deutschland auf Sendung, Bislang hat noch kein Chef von Premiere/Sky das Rezept für erfolgreiches Pay-TV gefunden.

Das Desaster des Bezahlsenders Sky Deutschland lässt sich an ein paar Zahlen ablesen: Der Kurs der am M-Dax notierten Aktien brach zuletzt um mehr als 20 Prozent auf den historischen Tiefstand von 1,10 Euro ein. Selbst treue Anleger flüchteten. Im Jahr 2005 waren die Aktien noch für 28 Euro ausgegeben worden. Der Sender werde auch im nächsten Jahr Verluste schreiben, räumt Sky-Chef Brian Sullivan ein, der erst im April den weitgehend erfolglosen Mark Williams abgelöst hat. 82 Millionen Euro waren es im zweiten Quartal. Die Abo-Zahlen stagnieren bei etwa 2,5 Millionen. Da muss der Hauptaktionär, Rupert Murdochs Newscorporation, erneut frisches Geld zuschießen: diesmal in Höhe von 340 Millionen Euro.

Auch wenn die Chefetage in Optimismus macht, die Abteilungen Marketing, Sales und Customer Services mit Marktforschung und Logistik zum Zwecke besserer Kundenbindung bündelt, stabile Preise verspricht und erneut eine teure Werbekampagne, diesmal mit Moritz Bleibtreu, auflegt – es bleibt der Eindruck: das in anderen Ländern erfolgreiche Bezahlfernsehen kommt in Deutschland nicht aus dem Quark. In 20 Jahren ist es keinem Premiere- oder Sky-Chef gelungen, Gewinne zu erzielen. Was sind dafür die entscheidenden Faktoren?

Die erste Frage, die sich stellt, ist: Wie sieht das Markenprofil von Premiere/Sky aus? Als Premiere 1990 startete, galt dieser Sender als etwas besonderes: ein Fernsehen für Kenner und Genießer. Die tollen Filme, die sonst nirgendwo zu sehen waren, und viel Live-Sport sollten das direkte Bezahlen der Inhalte rechtfertigen. Hinzu kamen – orientiert am US-Vorbild HBO – erste Eigenproduktionen, ungewöhnliche Talkshows („0137“) oder Formate wie „Real Life“. Besonders werthaltig, ja edel, kam die Marke „Premiere“ daher. Doch das reichte offenbar nicht für ein effektives Geschäftsmodell. Selbst als der Sender fast monopolistisch von Kirch und Bertelsmann gemeinsam betrieben wurde, setzte er sich nicht durch. Bald rückte der spätere Gruner+Jahr-Chef Bernd Kundrun in die Chefetage ein, verkündete allenthalben sein KISS-Credo: „Keep it stupid and simple“ und versuchte seine Erfahrungen aus dem Bertelsmann-Clubgeschäft aufs Fernsehen anzuwenden. Die Eigenproduktionen wurden gestoppt. Jetzt sollte es auf die Masse der Kunden ankommen.

Ein Kämpfer um hohe Abo-Zahlen mit allerlei Rabatten und Finessen wurde auch Georg Kofler, der Premiere nach der Kirch-Pleite übernahm. Er forderte insbesondere die Konkurrenz des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit den „Zwangsgebühren“ lodernd heraus und wollte unbedingt für die Live-Spiele der Bundesliga mehr Exklusivität erzielen. Auch das, was er „Voll-Erotik“ nannte, wurde zum wichtigen Verkaufsargument. Jetzt schien es so, als würden viele Abonnenten ihr Premiere-Abo durch die Befreiung von der GEZ aus sozialen Gründen finanzieren. Was also ist nun der Charakter des deutschen Bezahlfernsehens? Ein Sex-und-Fußball-Kanal für die Masse oder Edel-TV für Liebhaber? Bis heute hat das Management keine eindeutige Festlegung gefunden.

Frage Nummer zwei: Was will Rupert Murdoch? Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes zählt den mittlerweile 79-jährigen Haudegen mit einem geschätzten Privatvermögen von vier Milliarden Dollar regelmäßig zu den 200 reichsten Menschen der Welt. Sein Medienimperium, das etwa drei Viertel des Umsatzes in den USA erwirtschaftet, gehört zu den großen „global playern“. 2,5 Milliarden Dollar verdiente er im letzten Geschäftsjahr (bis Ende Juni).

Der 3-D-Fantasy-Streifen „Avatar“ wurde zum ökonomisch erfolgreichsten Film überhaupt. Und sogar mit dem Bezahlfernsehen verdient der Konzern, zum Beispiel in Großbritannien oder Australien. Unklar ist nur, was Murdoch auf dem deutschen Medienmarkt eigentlich will. Immer wieder setzt er den Fuß mal hier hin, beteiligt sich an „Vox“, „de-investiert“ dann wieder. Gibt wieder Geld fürs Pay-TV, das aber nicht reicht, einen tatsächlichen Durchbruch zu organisieren. Irgendwie ist ihm der dichte, von einem starken öffentlich-rechtlichen System geprägte deutsche TV-Markt suspekt. Sonst will er Dominanz, in Deutschland taktiert er kleinschrittig. Genügt es ihm wirklich, bloß mitzuspielen? Genügt der eine große Schritt, Premiere in Sky Deutschland umzubenennen, dabei Preise zu erhöhen und Angebote zu verbessern, wie vor einem Jahr geschehen?

Der dritte Themenkomplex betrifft den Fußball. Es gibt ein radikales Rezept für den Erfolg von Pay-TV. Der Betreiber kauft für viel Geld möglichst komplett die Live-Rechte der jeweiligen nationalen Sportart Nummer eins und sperrt diese hinter die Pay-Wall. In England, wo die BBC die Fußball-Zusammenfassungen am Wochenende erst am späten Abend ausstrahlt, ist Sky sehr erfolgreich. Rund acht Millionen Abonnenten zahlen im Jahr etwa 600 Euro.

Bei uns ist die Lage anders. Insbesondere seit der Kirch-Pleite ist der Fußball, namentlich die von Christian Seiffert geführte DFL, sehr viel klüger geworden. Die Rechte werden aufgeteilt, nie wieder will der Profi-Fußball allein von einem Rechte-Inhaber abhängig sein. Selbst wenn Sky mit 225 beziehungsweise 275 Millionen Euro pro Saison von 2009 bis 2013 viel zum Gedeihen der Bundesliga beiträgt, sinkt der Anteil am Gesamtumsatz der Liga stetig. Auch wenn Sky vor allem wegen der Fußball-Livespiele abonniert wird, letztlich hat es der Sender nur geschafft, den Samstagnachmittag für viele wieder zu einem Kneipenereignis zu machen. Auch die Werbetreibenden und Sponsoren sind eifrige Verfechter einer zeitnahen, frei empfangbaren quotenstarken ARD-„Sportschau“.

Hinzu kommen, als vierter Faktor, kulturelle Schranken. Ob im Internet oder im Fernsehen: Es gibt in Deutschland einfach keine „gelernte“ Bezahlkultur. Das ist nur bei Zeitungen, hochwertigen Zeitschriften und erst recht der – weniger sichtbaren – Telekommunikation anders. Bei dem breiten Angebot des gebühren- wie werbefinanzierten Fernsehens müsste die Exklusivität größer, die Besonderheit dieses Fernsehens ausgeprägter sein. Kulturelle Veränderung aber, erst recht wenn sie durch das Portemonnaie geht, verlangt einen sehr, sehr langen Atem. Den wird sich Sky in Deutschland kaum noch leisten können.

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