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Medien: Bilder machen Skandale

Malte Lehming, Washington

Der beste Film der Marx Brothers ist „Duck Soup“, ein AntiKriegsfilm. In einer Szene hat sich Chico wie Groucho verkleidet, mit Schnauzbart und Zigarre. Das verwirrt eine Frau. Wie er jetzt vor ihr stehen könne, fragt sie Chico, er sei doch gerade aus der Tür gegangen? „Das habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.“ Chico antwortet: „Also, wem wollen Sie glauben – mir oder ihren eigenen Augen?“ Wir sind die Guten, unsere Gegner die Bösen, was wir beschließen und tun, vom „Patriot Act“ bis zur Haft auf Guantanamo, dient dem Wohle unserer Nation, ihr müsst uns vertrauen: Das war, nach dem 11. September 2001, die halb mahnend, halb messianisch vorgetragene Botschaft der US-Regierung. Kritik daran stand schnell im Verdacht, von unpatriotischen Motiven geleitet zu sein. Die Folter- Affäre von Abu Ghraib hat das beendet. Die Bilder von den Misshandlungen sind mächtiger als die sie erklärenden Worte.

Nicht Seymour Hersh, der investigative Reporter vom „New Yorker“, hat den Skandal aufgedeckt. Sondern es waren die Fotos, die der TV-Sender CBS ausstrahlte. Sie erst schufen eine Wahrheit, der sich keiner entziehen konnte. In Wort und Schrift hatten sich vor Hersh schon andere Medien mit dem Thema befasst. Die „New York Times“ berichtete im Mai 2003 über die Beschwerden von etwa zwei Dutzend Gefangenen. Im Oktober stand in der „Los Angeles Times“, dass gegen US-Soldaten wegen Misshandlungen und Körperverletzungen mit Todesfolge ermittelt werde. Die Agentur AP griff im November die Misshandlungs-Vorwürfe von Ex-Häftlingen auf. All das blieb ohne Wirkung. Die Bilder fehlten. Es ist traurig: Wir lesen Dinge, die unser Gewissen nicht erreichen, weil wir sie nicht sehen. Jetzt aber, da das Auge gesehen hat, können Hersh und die anderen Rechercheure den Skandal füttern und seine Aufklärung fördern.

Sie müssen es; konservative Medien, die den Irakkrieg gutheißen, zeigen die Bilder daher nur noch selten. Der Chefredakteur der „New York Post“, Col Annan, sagt: „Wie viele Fotos nackter Irakis will man schon sehen?“ Das nütze doch bloß der politischen Agenda vieler Konkurrenzblätter. Wem wollen Sie glauben – mir oder Ihren eigenen Augen? Zum Glück verlassen sich die meisten Amerikaner lieber auf ihre Augen.

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