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Birma: Löcher im Zaun

Birmas Militärjunta hat die Waffen – die Opposition hat Handys und Internet.

Vor allem körnige und verwackelte, dafür aufrüttelnde Bilder gingen in den letzten Tagen um die Welt. Mönche, in orange-gelbe Roben gehüllt, die blutverschmiert auf den Straßen der früheren birmesischen Hauptstadt Rangun entlang ziehen. Eine Masse von Protestlern, über deren Köpfe nur knapp hinweg geschossen wird, aufgenommen von Handykameras, über das Internet verschickt in alle Welt.

Es sind Dokumente, die unter Lebensgefahr aus Birma geschleust wurden und nun auf Videoplattformen im Internet und in Nachrichtensendungen auf der ganzen Welt zu sehen sind. Es ist eine Art Revolution der Revolution, dass die Welt hinter die Militärfassade des südostasiatischen Staates blicken kann. Birma ist, nach Angaben der Journalistenvereinigung „Reporter ohne Grenzen“ (ROG), das derzeitige Zensurparadies. Auf der ROG-Rangliste zur Lage der Pressefreiheit rangiert der südostasiatische Staat auf Platz 164 – von 168. Unabhängige Berichterstattung gelangt nur schwer aus dem Land, das staatliche Zensurbüro trimmt die Informationen auf Regierungskurs, Einreisevisa für ausländische Journalisten wurden seit Beginn der Proteste nicht gewährt.

Im Gegensatz zu den Unruhen von 1988, die sich hinter dem Rücken der Weltöffentlichkeit abspielten, ist diese diesmal Zeuge der Ereignisse. Neben den verwackelten Dokumentationen, die im Internet zu sehen sind, liefern vor allem Rundfunksender aus dem Exil neueste Bilder aus dem Krisengebiet.

Einer der Exil-Nachrichtenlieferanten sitzt im norwegischen Oslo. Der Rundfunksender „Democratic Voice of Burma“ (DVB) sendet seit der Krise statt wie üblicherweise zwei Stunden nun sieben Stunden täglich über Kurzwelle und Satellit. Die elf Mitarbeiter in Oslo werden vor allem durch Informanten vor Ort mit Material versorgt. Oft sogar durch Mönche, die direkt an den Protestmärschen beteiligt sind. „Alleine in Rangun haben wir 50 Reporter und zusätzliche Augenzeugen, die uns auf dem Laufenden halten. Die machen das alle freiwillig und unter Lebensgefahr“, sagt DVB-Nachrichtenredakteur Moe Aye.

Der Sender ist der einzige demokratische Informationskanal für Birmesen in ihrer Heimatsprache und gilt inzwischen als zentraler Pfeiler der Opposition.

Als erstes Medium verbreitete der Sender am Mittwoch die Meldung über scharfe Schüsse gegen demonstrierende Mönche. Diese Nachricht hat, nachdem sie Rangun erreichte, noch mehr Demonstranten auf die Straßen gebracht – auf Mönche zu schießen gilt in Birma als Todsünde.

Seit diesen Schüssen vom Mittwoch haben sich in Birma die Bedingungen für freiwillige Berichterstatter verschärft. Die Militärjunta versucht seit den gewaltsamen Auseinandersetzungen die Grenzen des Landes für jede Art von Datenverkehr undurchlässig zu machen. Die Mobilfunknetze wurden abgestellt, auch das birmesische Festnetz ist aus dem Ausland kaum noch zu erreichen. Dem sonst grenzübergreifenden Internet konnte zumindest teilweise ein Riegel vorgeschoben werden: Internetcafés in Rangun wurden geschlossen, der staatlich kontrollierte Netzbetreiber „Bagan Cyber“ hat die Übertragungsgeschwindigkeit der nationalen Internetverbindungen auf ein Minimum reduziert.

Das Radiosignal der „Democratic Voice of Burma“ ist bislang nicht gestört. Da internationale Nachrichtenagenturen wie APTN und Reuters TV die Bilder des Osloer Exilsenders übernehmen, werden auch abseits der Straßen von Rangun die Menschenrechtsverletzungen weiterhin wahrgenommen. Ein Kunde von APTN und Reuters TV ist die deutsche „Tagesschau“. André Anwar/Tim Klimeš

André Anwar, Tim Klimeš

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