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Medien: „Bis dahin einen guten Abend“

Mit der Entscheidung für Buhrow zeigt die ARD ihre Informationskompetenz

Da ist er also nun, der Tom Buhrow – rheinisch, fröhlich, amerikanisch, bescheiden, teamorientiert, bodenständig, neutral. Selten wurde ein und derselbe Mensch quer durch die Pressevielfalt freundlicher empfangen. Die Interviews sind gefällig, die Porträts unisono zugeneigt. Keine Kontroverse. Nirgends.

Fast überflüssig war da die aufwendige Anzeigenkampagne der ARD, die Tom Buhrow und Anne Will präsentierte, als seien beide die für den gleichen Abend ersehnte Auflösung des Paarungsrätsels von „Verliebt in Berlin“ (dazu rechts).

Hätte es dagegen einen typischen Struve-Coup gegeben, wäre es also dem ARD-Programmdirektor beispielsweise gelungen, für geheime Riesensummen Peter Kloeppel von RTL ins Erste zu transferieren, um endgültig zu beweisen, dass seriöse Nachrichten im Privaten nicht heimisch sein können. Dann, ja dann wäre etwas los gewesen.

Die ARD aber setzt – anders als bei Quiz, Talk, Shows und Sport – endlich einmal auf gut gediehene Gewächse aus eigenem Hause. Auch so wahrt man Kernkompetenz. Signalisiert wird: Information – das können wir selbst am besten.

Und? Wie war er denn nun so, der Tom, beim ersten Mal? Nun ja. Anzug und Krawatte Ton in Ton, der Button-down-Kragen vielleicht ein wenig eng, keine Versprecher, etwas viel Kopfwackeln, keine Sandmännchen-Formel zum Schluss. Dann wurde noch deutlich, dass die Hamburger Aussprache-Richtlinie, die ein gesprochenes „o“ für die erste Silbe der finnischen Hafenstadt „Lappeenranta“ vorsah, nicht bis zum Korrespondenten Rolf-Dieter Krause gedrungen war. Den durfte Tom Buhrow zu den dort tagenden europäischen Außenministern befragen . Ein leichtes Kollegeninterview zum Auftakt. Glaube man ernsthaft, durch Verhandlungen sei das iranische Atomprogramm zu stoppen? „Also akzeptieren, was man eigentlich verhindern wollte“, resümierte Buhrow salopp Krauses Antwort. Nein, so simpel hatte es der Kollege Krause dann doch nicht gemeint. Weit weg im Finnischen verzieht der das Gesicht, kommt aber nicht mehr zu Wort.

Buhrows Stärke sei es, Komplexität zu reduzieren, noch erklärender sollen die Tagesthemen werden, hieß es vorab. Vorsicht! Verständlichkeit ist gut, Simplifizierung nicht. Im Übrigen war man zu diesem Thema schon im Frühstücksfernsehen präziser informiert worden.

Aber die Sendung am Freitagabend um 23 Uhr 10 – das waren auch gar keine „Tagesthemen“. Keine Verdichtung, keine Vertiefung. Es war eine gesprochene „Tagesschau“ mit den Beiträgen von drei Stunden zuvor, sieht man von einem ausgetauschten Foodwatch-O- Ton und der falschen redaktionellen Entscheidung ab, ausgerechnet der PR-Tour des Papstes zum „Muschelseidentuch“ ins Abruzzendorf Manoppello mehr Zeit einzuräumen. Für den Text zur Reliquie hatte Tom ins Wörterbuch geschaut.

Zur späten Stunde verfolgten 1,95 Millionen Zuschauer (Marktanteil 11,5 Prozent) die Premiere. Vorgänger Wickert hatte sich am Abend zuvor nach 15 Jahren als „Mr. Tagesthemen“ noch vor 4,34 Millionen Zuschauern (Marktanteil: 18,1 Prozent) verabschiedet.

Wickert hat uns Tom Buhrow als „guten Freund“ empfohlen. Gemach. Wir kennen ihn ja bereits als präzisen und präsenten Berichterstatter aus den USA. Jetzt soll er sich ans Studio gewöhnen und Kontakt zum imaginierten Zuschauer suchen. Im Unterschied zu vielen anderen, auch Profis, ist Tom Buhrow einer, der das kann, der nicht konfuser, sondern konzentrierter wird, sobald die rote Lampe leuchtet.

Seine 14-Minuten-Premiere hat er gemeistert, auch an „breaking news“ wird er nicht scheitern. Aber gleich ein Freund? Ein Gute-Nacht-Onkel jedenfalls ist er nicht. Und einen festen Abschiedsgruß soll es auch nicht geben. Zur Premiere hieß es: „Wenn Sie wollen, sehen wir uns morgen wieder. Bis dahin einen guten Abend.“

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