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Medien: Bloß weg hier

Road-Movie über die Grausamkeiten des Erwachsenwerdens

Matthias liegt in der Badewanne, langweilt sich zu Tode und will nie wieder raus. Muss aber. Draußen wartet doch auch bloß Langeweile. Die Hochzeit des Bruders mit der ganzen öden Mischpoke. Anzug anziehen müssen. Sich amüsieren, tanzen, freundlich sein. Och nee.

Mufflig hängt er herum, filmt ein bisschen mit seinem schnieken Camcorder, verdrückt sich um die Ecke. Dort begegnet er drei wüsten Figuren, die ihn mitlocken. Zum Bahnhof. Graffiti sprayen und einen Joint rauchen. Auf der Flucht vor der Polizei versteckt sich der bekiffte Matthias in einem Zug. Und wacht irgendwo in einem gottverlassenen Nest in Tschechien wieder auf, ohne Papiere, ohne Geld. Er begegnet der jungen Eva, die weg will, bloß weg aus der Enge, weg vom Freund. Nach Berlin? Warum nicht? Und schon hebt ein Road-Movie an, nach allen Regeln der Kunst. Das ungleiche Paar macht sich mit geklautem Auto auf – keiner von beiden kann fahren (dann aber doch, o Wunder!). Grenzbeamte schieben die marode Karre nach Deutschland hinein, sie landet im Straßengraben, weiter geht es zu Fuß, trampend, als blinde Passagiere im Zug. Weiter, immer weiter durch trostlose, merkwürdig verlassene Gegenden. Sie streiten sich, trennen sich, finden sich wieder, zwei verlorene Kinder, unterwegs nach Irgendwo, ziellos, planlos.

Die schöne Eva mit den so desillusionierten wie trotzigen Augen, dieses Temperamentsbündel, das so herzzerreißend weinen kann und dann wieder übermütig herumtollt, diese junge Frau lebt ungeniert und pragmatisch in den Tag hinein. Matthias, ihr Partner auf Zeit, schweigt, verbirgt seine erotischen Träume auch vor sich selbst, wird von Angst vor der Fülle des Lebens geschüttelt, sehnt sich nach ich-weiß-nicht-was und weiß immer weniger, was er will und wer er ist. Ein seltsames Paar. Ein Liebespaar? Sie klammern sich aneinander für eine Weile, kommen sich näher, driften wieder auseinander. Am Ende ist Matthias erwachsener geworden. Papas Schimpfkanonade kann ihn kaum mehr rühren.

Michael Baumanns erster großer Spielfilm „Weg“ (ZDF, 22 Uhr 50), seine Abschlussarbeit an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg, schwelgt in melancholischen Landschaftsbildern, hat seine größten Stärken aber in der psychologisch genauen Inszenierung seiner Protagonisten Jonas Jägermeyr und Labina Mitevska. Wie die beiden jenseits der Worte aufeinander reagieren, wie sie mit Blicken mehr preisgeben, als ihnen lieb ist, wie sie in ihrer Verschiedenheit zur Gemeinsamkeit finden, das gelingt dem jungen begabten Regisseur ganz außergewöhnlich intensiv. Ein kleiner, poetischer Film in der verdienstvollen Sommerreihe des Kleinen Fernsehspiels mit dem (unsäglichen) Titel „Gefühlsecht“, die „junge deutsche Filme“ präsentiert. Mechthild Zschau

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