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Medien: Bohnen mit Bienen

Die ZDF-Reihe „China“ beginnt mit dem, was den Chinesen angeblich am wichtigsten ist: dem Essen

Die „betrunkenen Shrimps“ hüpfen lustig in der Schüssel, ehe ihnen über dem Feuer der Garaus gemacht wird. Meisterkoch Johnson Wong denkt sich gerne sonderbare Gerichte aus, zum Beispiel „Bohnen mit Bienen“. Wenn man sie nicht schnell verspeist, sagt er, fliegen sie weg. Wie das seinen Gästen in Guangzhou kredenzt wird, sieht man leider nicht.

Es ist im Land der Wok-WM und zahlloser chinesischer Restaurants vielleicht nahe liegend, die ZDF-Dokumentarreihe „China“ mit der Folge „Speisen des Himmels“ (heute, 22 Uhr 45) zu beginnen, aber gibt es nicht drängendere Themen? „Wer China sucht, seine Seele, seine Sehnsucht und seine Ängste, der muss seine Märkte besuchen, seine Felder, seine Küche“, schnarrt eine Stimme zu Beginn übertrieben dramatisch. Den Chinesen ist das Essen heilig. Selbst wenn ein Feuer ausbrechen sollte, sagt ein Sprichwort, werde zuerst zu Ende gegessen. Der Film des ehemaligen Pekinger ZDF-Korrespondenten Gert Anhalt und von Susan Teskey vom kanadischen Fernsehsender CBC lässt einen exotischen Reiseführer für den Gaumen erwarten, ist aber eine Dokumentation, die den Bruchstellen in der rasant wachsenden chinesischen Gesellschaft erstaunlich nahe kommt.

Die erste Irritation folgt gleich nach dem Besuch in Johnson Wongs malerischer Küche. Schnitt, und plötzlich ist man in der Wohnhöhle des Ehepaars Gao zu Gast, wo es jeden Abend Nudelsuppe gibt. Sie leben wie insgesamt rund 85 Millionen der 1,3 Milliarden Chinesen in Armut. „Alles hier hängt allein vom Regen ab“, sagt Frau Gao, die das tägliche Trinkwasser im Lössbergland aus einer erbärmlichen Pfütze holt.

Das macht eine Stunde Fußmarsch mit Esel bergab und wieder eine Stunde bergauf. Und manchmal ist die Pfütze ausgetrocknet. So geht es immer weiter in dieser ersten von vier Folgen: ein Parforceritt der Gegensätze. Von einem angesehenen Maler, der nur Tafelfreuden aufs Papier bringt und nebenbei einen Karpfen zubereitet, zu armen Fischern, deren Lebensgrundlage durch die zum Himmel stinkende industrielle Verschmutzung des Flusses zerstört wurde. Von einer erfolgreichen Maklerin, die einstige Ackerflächen an Industriefirmen verkauft, zu einem Mann, der wie 66 Millionen anderer Bauern von seinem Land vertrieben werden soll.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral: Auch wer Bertolt Brecht nicht kennt, versteht hier schnell, dass der Inhalt der Töpfe einiges mit Politik zu tun hat. Anhalt und Teskey sind den Konflikten im Reich der Kommunistischen Partei dicht auf den Fersen. Sie begleiten ein Anwaltspaar, das in der Provinz Umweltsündern das Handwerk legen will, sie sammeln Bilder von offenkundigen Missständen und O-Töne von zornigen Bauern und Fischern. So etwas konnte man aus China bisher kaum zeigen. Dass die ständigen Begleiter der Zensurbehörde nicht eingriffen, wundert die Autoren immer noch. Selbst der Satz des Vizechefs der Pekinger Umweltbehörde lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Umweltschutz wird nicht belohnt in unserem System.“ Vielleicht werden die Zügel aber auch nur vorübergehend gelockert, bis die Olympischen Spiele 2008 in Peking vorbei sind. Bis dahin kann man offenbar mehr über das Land erfahren als je zuvor.

Über drei Millionen Euro hat die mit HDTV-Technik gedrehte Reihe gekostet. Dieser Aufwand bedurfte einer gemeinsamen Anstrengung von ZDF, der „New York Times“ mit ihrem eigenen Pay-TV- Kanal Discovery Times Channel und CBC, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen Kanadas. An den drei weiteren Folgen „Werkbank der Welt“ (Thema: Wirtschaft, 23. März), „Spiele der Macht“ (Sport und Olympia, 29. März) sowie „Stadt der Träume“ (Shanghai, 30. März) war kein ZDF-Autor beteiligt. Die Konzeption entstammt freilich der Zusammenarbeit aller Häuser, und Gert Anhalt schuf für alle Teile die deutsche Fassung. Um für einen filmästhetischen Gleichklang zu sorgen, wurden die Folgen komplett bei CBC in Toronto geschnitten.

„China“; ZDF, erste Folge Mittwoch, 22 Uhr 45, weitere Teile am 23., 29. und 30. März

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